Diakonie-Präsident Lilie zu den parlamentarischen Beratungen zum assistierten Suizid
© Diakonie/Thomas Meyer
Diakonie-Präsident Lilie:

zu den parlamentarischen Beratungen zum assistierten Suizid

30.06.2023

Der Deutsche Bundestag berät am Donnerstag (6. Juli) über zwei konkurrierende Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidbeihilfe sowie über zwei Entschließungsanträge, mit denen die Bundesregierung zur Vorlage eines Suizidpräventionsgesetzes verpflichtet werden soll. Dazu erklärt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie:

„Ein Suizidpräventionsgesetz muss klaren Vorrang vor der Regelung des assistierten Suizids haben. Denn die vom Bundesverfassungsgericht angestoßene Debatte über den assistierten Suizid hat vor allem blinde Flecken in der Suizidprävention sichtbar gemacht. So wurden Sterbewünsche, Suizidversuche und Suizidgedanken viel zu oft tabuisiert und vernachlässigt. Dabei wird leicht übersehen, dass es meist tiefe psychosoziale Krisen sind, in denen diese Gedanken aufkommen. Diese Erkenntnisse müssen in die neue Gesetzgebung einfließen.“

In diesem Sinne hat sich die Diakonie Deutschland in einem breiten Bündnis von Verbänden und Fachgesellschaften an die Mitglieder des Deutschen Bundestags gewandt und Eckpunkte für ein Suizidpräventionsgesetz vorgeschlagen. Im Mittelpunkt stehen eine besser erreichbare und qualifizierte Beratung suizidwilliger Menschen und eine substantielle Verbesserung von palliativer Versorgung und Suizidprävention. „Prävention und auffangende Begleitung von Menschen, die sich zum Suizid entschlossen haben, sind nicht zum Nulltarif zu haben“, so Lilie weiter. „Wenn wir die Freiheit, die uns das Grundgesetz garantiert, ernst nehmen, dann ist der Staat gefordert, die Schutzbedürftigen besonders zu schützen.“

Mit Blick auf die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe zur Suizidassistenz äußert sich Lilie skeptisch: „Bei einer gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids müssen Selbstbestimmung und Lebensschutz gut ausbalanciert werden. Menschen mit Suizidwünschen sind ernst zu nehmen und anzunehmen. Eine gesetzliche Regelung darf aber nicht zu einer Normalisierung des assistierten Suizids führen.“ Es stehe außer Frage, dass bei einem assistierten Suizid die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung gewährleistet und zuvor eine umfassende Beratung und Unterstützung zugänglich und verfügbar sein müsse. „Der Aufbau eines Beratungs- und Begutachtungssystems hat aber eben auch den paradoxen Effekt, dass Normalisierung eintritt. Wir legalisieren also etwas, das wir als Gesellschaft gerade nicht als Normalität wollen sollten.“

Hintergrund:

Im Juni hatten zunächst die Abgeordnetengruppen um Renate Künast und Katrin Helling-Plahr einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz sowie einen Entschließungsantrag zur Suizidprävention anstelle von zwei früheren Gesetzentwürfen vorgelegt. Die Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci hat ihren bisherigen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz noch einmal überarbeitet. Die Beratung der Entwürfe ist für die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause geplant.

Inzwischen haben sich auch die Bundesärztekammer, das Nationale Suizidpräventionsprogramm, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin für eine weitere und tiefergehende Beratung der Gesetzentwürfe ausgesprochen. Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Eine bis dahin geltende strafrechtliche Regelung, die auch die organisierte Suizidassistenz durch Sterbehilfeorganisationen verboten hatte, erklärte das Gericht für verfassungswidrig. Seitdem wird im Bundestag über eine mögliche Folgeregelung diskutiert. 

Vor diesem Hintergrund plädiert der Diakonie-Präsident für eine gründliche Diskussion, die über die vorgelegten Gesetzentwürfe hinausgeht.

Weitere Informationen

@ Hermann Bredehorst

Kathrin Klinkusch

Pressesprecherin

pressestelle@diakonie.de 030 652111780

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