Schule und Ausbildung für soziale und pflegerische Berufe

In sozialen Berufen werden professionelle Tätigkeiten der Beratung und Begleitung, der Erziehung, Unterstützung und Fürsorge ausgeübt. Kinder und Jugendliche, alte Menschen, Personen, die von Krankheit, Behinderung oder sozialen Notlagen betroffen sind, können Adressaten dieser unterstützenden Tätigkeiten sein. Zu den überregional verbreiteten sozialen und sozialpädagogischen Berufen zählen: Sozialassistent, Sozialpflegerin, Kinderpfleger, Erzieherin, Heilerziehungspfleger, Heilpädagogin.

In pflegerischen Berufen stehen gesundheitsfördernde und medizinisch-pflegerische Aspekte im Vordergrund. Die dort tätigen Fachkräfte planen, organisieren und leisten Pflege bei kranken, alten und hilfebedürftigen Menschen in stationären Einrichtungen und im ambulanten oder häuslichen Bereich. Dazu gehören die Berufe: Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Krankenpflegehelfer und Altenpflegerin. In der Altenpflege und Heilerziehungspflege können sich sozialpädagogische und pflegerische Aufgaben miteinander verbinden. Die Entstehung und Entwicklung dieser Ausbildungen an Berufsfachschulen, Fachschulen bzw. Fachakademien wird hier beschrieben.

Die Entstehung sozialer und pflegerischer Berufe im 19. Jahrhundert

Die Aufgabe, kranke und alte Menschen zu pflegen, in Not geratene Personen zu unterstützen, Kinder und Jugendliche ohne Eltern oder Familie zu erziehen, hat zu allen Zeiten bestanden. Nach christlicher Tradition gehörte die Erfüllung dieser Aufgaben zu den Werken der Barmherzigkeit und wurde besonders geachtet. In vielen Gemeinden entwickelte sich eine geordnete Armenpflege, Ordensgemeinschaften spezialisierten sich auf die Pflege kranker Menschen, es entstanden Heime für Waisenkinder und Rettungshäuser für Kinder und Jugendliche. Viele Einrichtungen verdankten ihre Entstehung der Tatkraft einzelner Personen. So schuf etwa Johannes Daniel Falk (1768-1826), inspiriert durch die Ideen des großen Schweizer Pädagogen Heinrich Pestalozzi,1813 in Weimar ein Rettungshaus für Kinder und Jugendliche, die in den Wirren der napoleonischen Kriege heimatlos geworden waren, unterrichtete sie und vermittelte sie in Ausbildungen. Der Jurist und Pädagoge Christian Heinrich Zeller (1779-1860) schuf in der Nähe von Basel „Rettungsherbergen“ für arme und verwahrloste Kinder und gründete gleichzeitig Ausbildungsstätten für so genannte „Armenschullehrer“. Zeller kann neben den Theologen Theodor Fliedner (1800-1864) in Düsseldorf/Kaiserswerth und Johann Hinrich Wichern (1808-1881) in Hamburg als einer der Pioniere der Inneren Mission angesehen werden. Sie waren es, die soziale Einrichtungen schufen und gleichzeitig für diese Arbeitsfelder spezialisierte Fachkräfte ausbildeten. Im 1833 gegründeten Rauhen Haus in Hamburg, einer Erziehungseinrichtung für Kinder und Jugendliche, entwickelt Wichern den Beruf des Gehilfen und Diakonen mit einer besonderen Spezialisierung für Heimerziehung. Ab 1835 gründete Fliedner in Kaiserswerth soziale Einrichtungen für weibliche entlassene Strafgefangene, ein Rettungshaus, eine Krankenanstalt und einen Kindergarten, damals Kleinkinderschule genannt. Gleichzeitig entwickelte er Ausbildungskonzepte für Diakonissen, die er zu qualifizierten Pflegerinnen und Kleinkinderschullehrerinnen ausbildete. Von Fliedner kamen also entscheidende Anstöße zur Entwicklung pflegerischer und sozialpädagogischer Berufe für das Arbeitsfeld der Diakonie.

Von der Kinderwärterin zur Erzieherin

Die Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland vermehrt gegründeten Kinderbewahranstalten nahmen Kinder der arbeitenden Bevölkerung auf. So gründete schon 1802 die Fürstin Pauline von Lippe-Detmold eine derartige Anstalt. Die Betreuung der Kinder wurde zumeist von Frauen übernommen, die Erfahrung im Umgang mit Kindern hatten und junge Wärterinnen auf die Arbeit mit den Kindern vorbereiteten. Im Laufe der Zeit wurden diesen Bewahranstalten auch pädagogische und schulvorbereitende Aufgaben übertragen. Der Name Kleinkinderschule tauchte jetzt häufiger auf und es entstanden an verschiedenen Orten Ausbildungsstätten für Mitarbeiterinnen. Die erste dieser Art wurde 1836 von Theodor Fliedner in Kaiserswerth gegründet. Man nannte die Absolventinnen damals Kleinkinderschullehrerinnen. 1843 gründete der Lehrer Julius Fölsing (1818-1882) in Darmstadt eine nach sozialen Klassen differenzierte Einrichtung der Kleinkinderziehung, die mit einer Ausbildungsstätte verbunden waren. Am bekanntesten ist der 1840 von Friedrich Fröbel (1782-1852) in Blankenburg gegründete Kindergarten . Auch Fröbel bemühte sich um die Ausbildung der darin tätigen Kindergärtnerinnen. Anfangs dauerten die Kurse nur wenige Monate und die Ausbildungsinhalte waren durchaus unterschiedlich. In Kaiserswerth z.B. lernten die Schülerinnen neben dem praktischen Umgang mit den Kindern das Erzählen biblischer Geschichten, Singen, Haus- und Handarbeiten und christliche Erziehungsprinzipien. Fröbel versuchte in seiner Schule auf eine kindorientierte Pädagogik vorzubereiten, in der Spiel, Bewegung, Musik und Malen ihren besonderen Ort hatten. Die von ihm entwickelten Spielmaterialien sind bis heute in Kindergärten bekannt.

Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurde die Kleinkindererziehung besonders gefördert, es entstanden Kindergärten und Krippen und viele neue Ausbildungsstätten, insbesondere in evangelischer Trägerschaft. 1917 gab es 41 Schulen, die von evangelischen Mutterhäusern unterhalten wurden. Auch die von Fröbel inspirierten Kindergärten, die sich im „Deutschen-Fröbel-Verband“ zusammengeschlossen hatten, breiteten sich aus. Daneben entstanden weitere Ausbildungen, insbesondere für Frauen: die Kinderpflegerin und die Hortnerin. 1911 wurde in Preußen das gesamte Mädchenschulwesen neu geregelt und auch die Ausbildung zur Kindergärtnerin an Frauenschulen erstmals staatlich geordnet. Nach einer zweijährigen Ausbildung konnte der Abschluss erreicht werden. Die konfessionellen Schulen schlossen sich nach und nach dieser Regelung an. 1928 gab es eine weitere Reform im beruflichen Schulwesen. Die bisher getrennten Ausbildungen von Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen wurden zu einem zweijährigen Bildungsgang zusammengelegt. Die Absolventinnen konnten nun in Kindergärten, Horten und Familien arbeiten. Es entstanden Schulen für Heimerziehung und Ausbildungen zum Wohlfahrtspfleger. Die Anstalt Hephata/Treysa eröffnete 1930 die erste grundständige Heimerzieherschule für die Diakonie.

Die Veränderungen der sozialpädagogischen Aufgaben nach dem 2. Weltkrieg und die gestiegenen Anforderungen an die berufliche Tätigkeit erzwangen 1969 eine neue Gestaltung der Ausbildung. die nun auch für Männer geöffnet wurde. Die bislang bestehenden Ausbildungen für Heimerziehung und zur Kindergärtnerin wurden zur Fachschule für Sozialpädagogik zusammengelegt. Nach einer zweijährigen theoretischen Ausbildung und dem einjährigen Berufspraktikum wurde die staatliche Anerkennung zum Erzieher, zur Erzieherin erworben. Die Absolventinnen konnten nun in Kindergärten, Horten und Familien arbeiten. Das Berufsfeld wurde erweitert. Erzieher und Erzieherin konnten nun in allen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern tätig sein. Weiterbildungen und Spezialisierungen sind über die Fachschule für Heilpädagogik und die Fachhochschulen für Sozialpädagogik und Sozialarbeit möglich.

Vom Kindermädchen zur Kinderpflegerin

Im aufsteigenden Bürgertum des 19. Jahrhunderts war der Bedarf an häuslichem Personal in den Familien groß. In vielen Haushalten wurde nach Kindermädchen gefragt, die zur Betreuung der kleinen Kinder geeignet waren, aber auch pflegerische und hauswirtschaftliche Tätigkeiten übernehmen konnten. Anfangs wurden diese jungen Frauen in den Familien selbst auf ihre Aufgaben vorbereitet. Erst Ende des Jahrhunderts entstanden an Fortbildungs- und Haushaltungsschulen und in diakonischen Einrichtungen spezielle Ausbildungen für junge Mädchen nach der Volksschule. Überliefert ist, dass die evangelische Gemeinde in Hannover 1878 in ihrem „Mägdeheim mit Warteschule“ eine Ausbildung für Kindermädchen anbot. Neben dem Beruf der Kindergärtnerin, die für die älteren Kinder zuständig war, entstand nun der Beruf der Kinderpflegerin, auch Kindergärtnerin 2. Grades bezeichnet. Diese so ausgebildeten Frauen wurden in Familien angestellt und hatten die kleineren Kinder zu pflegen, zu beschäftigen und auch im Haushalt zu helfen. Aber ihr Tätigkeitsfeld war immer mit dem der Kindergärtnerin verbunden, so dass auch in Kindergärten und -heimen Kinderpflegerinnen angestellt wurden. In der Weimarer Republik und auch nach dem 2. Weltkrieg wurden die Ausbildungen immer wieder den neuen Erfordernissen angepasst.

Heute haben sich die Ausbildungsstätten als „Berufsfachschulen für Kinderpflegerinnen“ bundesweit durchgesetzt und auch die Berufsbezeichnung „Kinderpflegerin“ ist anerkannt. Nach dem Hauptschulabschluss und einer in der Regel zweijährigen theoretischen Ausbildung und dem einjährigen Berufspraktikum kann der Berufsabschluss erworben werden. Arbeitsfelder gibt es in Familien und Kindereinrichtungen. Staatl. anerkannte Kinderflegerinnen unterstützen die Fachkräfte bei der Betreuung, Erziehung und Pflege der Kinder.

Von der Pflegevorschülerin zur Sozialassistentin und Sozialhelferin

Eine Denkschrift des Diakonissen-Mutterhauses Sarepta in Bethel aus dem Jahre 1952 gab den Anstoß zur Gründung von Pflegevorschulen, zunächst in Nordrhein-Westfalen, dann auch in anderen Bundesländern. Die erste Schule dieser Art wurde schon 1953 vom Kirchenkreis Herford eröffnet. Zehn Jahre später gab es allein in NRW 13 Schulen dieser Art. Der ursprüngliche Gedanke war, jungen Frauen nach der Volksschule den Übergang in die Krankenpflegeausbildung zu ermöglichen. Mit den Schulen war zumeist ein Internat verbunden, so dass eine ganzheitliche und intensive Förderung möglich war. Im Laufe der Jahre entwickelte sich diese Einrichtung zu einer Vorschule für pflegerische, hauswirtschaftliche, soziale und sozialpädagogische Berufe.

Mit der Ausbildung, die zwei bis drei Jahre dauerte, war das Angebot verbunden, die Fach-oberschulreife zu erwerben. Zunächst als private Schule konfessioneller Träger entstanden, wurde sie 1964 als Berufsfachschule anerkannt und konnte sich so in das öffentliche Bildungssystem integrieren. Heute hat die Pflegevorschule eine andere Gestalt angenommen. In den meisten Ländern kann man durch die Ausbildung einen Berufsabschluss erwerben als Sozialhelferin oder Sozialassistentin. In Niedersachsen ist diese Schulform schon seit 1993 eingeführt. Die Absolventen und Absolventinnen können Aufgaben bei der Betreuung, Unterstützung und Versorgung von Menschen in pädagogischen oder pflegerischen Situationen übernehmen. Es ist zukünftig vorgesehen, dass diese zweijährige Ausbildung generell Eingangsvoraussetzung für den Besuch der Fachschulen für Sozialpädagogik (Erzieherin) und Heilerziehungspflege sein soll und damit Teil dieser Ausbildungen wird.

Vom Anstaltspfleger zur Fachkraft für Behindertenhilfe: Heilerziehungspflege

Fast zur gleichen Zeit, in der sich ein öffentliches sozialpädagogisches Interesse für Menschen in besonderen Notlagen entwickelte und Einrichtungen insbesondere für Kinder und Jugendliche geschaffen wurden, entstanden auch vergleichbare Bemühungen um behinderte Menschen. Die Initiativen gingen auch hier von Einzelpersonen aus. 1829 gründete der Lehrer Gotthard Guggenmoos (1775-1838) eine Einrichtung für geistig behinderte Menschen im damals bayrischen Salzburg, 1841 schuf der Arzt Jakob Guggenbühl (1816-1863 ) eine für die damalige Zeit Aufsehen erregende Einrichtung auf dem Abendberg bei Interlaken mit einem besonderen Therapieprogramm, 1847 legte der Arzt Karl Rösch (1807-1866) den Grundstein zu den Mariaberger Heimen in Württemberg. In der Folge waren es vor allem die konfessionellen Gemeinschaften, die aktiv an der Errichtung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen beteiligt waren und ihr Personal dafür speziell vorbereiteten.

Eine einheitliche Ausbildung für diesen Bereich aber gab es lange nicht. Erst durch die Anregungen von Pfarrer Ludwig Schlaich (1899-1977) in Stetten entwickelte sich der Beruf des Heilerziehungspflegers. In der von ihm geleiteten diakonischen Einrichtung lebten überwiegend Menschen mit einer geistigen Behinderung, die auf pflegerische Betreuung und pädagogische Begleitung in gleicher Weise angewiesen waren. 1971 wurde die Ausbildung in Baden-Württemberg erstmals staatlich geregelt und fand nach und nach Eingang in die anderen Bundesländer, allerdings in unterschiedlicher Form und Länge. Erst seit 2001 gilt eine bundesweite Rahmenvereinbarung, so dass die Ausbildung an den Fachschulen für Heilerziehungspflege oder Heilerziehung, wie sie in Hamburg heißen, vergleichbar ist. Sie führt ähnlich wie die Erzieher-Ausbildung nach Fachoberschulreife, zweijährigem theoretischen Unterricht und einjährigem Berufspraktikum zur staatlichen Anerkennung. Heilerziehungspfleger und -pflegerinnen sind heute anerkannte Fachkräfte für die gesamte Behindertenhilfe, die in Wohneinrichtungen, Werkstätten, integrativen Kindergärten und begleitenden Diensten arbeiten können.

Von der Erziehungshilfe zum ressourcenorientierten Handeln: Heilpädagogin

Im Jahre 1861 verfassten die Pädagogen Daniel Georgens und Heinrich Deinhardt eine Schrift, in der sie ihre pädagogische Arbeit mit behinderten Kindern begründeten. Für ihre Tätigkeit prägten sie den Namen Heilpädagogik, weil sie mit pädagogischen Mitteln versuchten, die Entwicklungsprobleme der Kinder zu mildern oder zu beheben. Seitdem gibt es die Heilpädagogik als ein Aufgabenfeld innerhalb der Pädagogik, in dem mit speziellen Mitteln und Methoden vertiefte pädagogische Arbeit geleistet wird.

Zur Zeit der Reformpädagogik um 1920 war es vor allem die Jugendhilfe, die den heilpädagogischen Gedanken aufgriff und Einrichtungen der Erziehungshilfe als heilpädagogische Heime bezeichnete und vereinzelt heilpädagogische Fortbildungskurse für Mitarbeiter anbot. Erst nach dem Krieg konnte diese Arbeit fortgesetzt werden. 1962 veröffentlichte der Allgemeine Fürsorge-Erziehungstag (AFET) Ausbildungsrichtlinien für eine heilpädagogische Zusatzausbildung. Schon 1963 in München und 1964 in Bethel konnten erste Ausbildungsinstitute gegründet werden. Vom Selbstverständnis her ist Heilpädagogik eine vertiefte pädagogische Hilfe für Menschen mit besonderen Erziehungs-, Lern- und Entwicklungsproblemen. Neben theoretischen Grundlagen liegt der Schwerpunkt der Ausbildung vor allem im Erwerb heilpädagogischer Methoden und deren Anwendung. Die Ausbildung an Fachschulen oder Fachakademien war zunächst eine einjährige Zusatzausbildung für sozialpädagogische Fachkräfte. Später auf 18 Monate erweitert, konnte auch die staatliche Anerkennung als Heilpädagoge oder Heilpädagogin verliehen werden. Heute wird eine zweijährige Ausbildung angestrebt mit dem Angebot des Erwerbs der Fachhochschulreife. Heilpädagoginnen und Heilpädagogen arbeiten in der Frühförderung, in Sonderkindergärten, integrierten Kindergärten und Tagesstätten, Wohngruppen, Werkstätten, Fachkliniken und Beratungsstellen. Sie können im Gruppendienst tätig sein, Leitungsaufgaben übernehmen oder eine eigenständige Funktion im Rahmen eines Teams von Fachleuten übernehmen.

Vom gottgefälligen Dienen zur Profession: Gesundheits- und Krankenpflege

Die Betreuung kranker und armer Menschen war seit jeher eine Domäne von Ordens- und Pflegegemeinschaften. Besonders bekannt ist die von Vincenz von Paul (1581-1660) ins Leben gerufene karitative Frauengemeinschaft der Barmherzigen Schwestern, die für ihre Aufgabe eine gründliche Ausbildung erhielten.

Die sozialpolitischen Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, das Aufkommen von Industrie und Technik, Umbrüche in Medizin, Krankheitsbekämpfung und Hygiene beeinflussten auch die Armen- und Krankenpflege. Bemühungen um eine Erneuerung der Krankenpflege durch die Barmherzigen Schwestern wirkten in den protestantischen Raum hinein. Schon 1831 gründete Amalie Sieveking (1794-1859) in Hamburg unter dem Eindruck der großen Choleraepidemie einen „Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege“. Wenige Jahre später schuf Theodor Fliedner in Kaiserswerth durch den „Evangelischen Verein für christliche Krankenpflege“ die Grundlage zur weiblichen Mutterhaus-Diakonie. Seine Pflege-Diakonissen erhielten eine umfassende Ausbildung.

Die Engländerin Florence Nightingale holte sich Anregungen aus Kaiserswerth und richtete in London eine Krankenpflegeschule nach ihren Vorstellungen ein. Sie verlangte ein Jahr Ausbildung neben der praktischen Tätigkeit im Krankenhaus, dann weitere zwei Jahre Fortbildung. Krankenpflege wurde ein öffentlich anerkannter Beruf für Frauen. Auch in Deutschland entwickelte sich, unterstützt durch die Frauenbewegung, die freiberufliche Krankenpflege. So entstand 1894 das Diakonieseminar in Elberfeld, das Frauen in Krankenpflege ausbildete. Es entstanden freie Schwesterngenossenschaften.

Als Agnes Karll (1868-1927) 1903 den mutigen Schritt wagte, für die freien Schwestern eine „Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen“ zu gründen, forderte sie eine dreijährige sachgemäße Ausbildung mit gesetzlicher Verankerung und staatlicher Prüfung. Es gab in Deutschland lange kontroverse Diskussionen, ob Krankenpflege als dienende Tätigkeit der Frau Liebesdienst oder zu erlernender Beruf sei. 1907 endlich erließ Preußen landesrechtliche Vorschriften über die staatliche Prüfung von Krankenpflegepersonen nach einjähriger Ausbildung. Auch Männer konnten nun ausgebildet werden. 1938 schließlich gab es das erste reichseinheitliche Gesetz. Die Ausbildung war zweijährig angelegt mit 200 Stunden Theorie. Sie durfte nur noch an staatlich anerkannten Krankenpflegeschulen erfolgen. Die Berufsbezeichnung Krankenschwester, Krankenpfleger wurde geschützt. 1957, 1965, 1985 und 2003 erfolgten weitere Gesetzesnovellen, die zu einer dreijährigen Ausbildung mit 1.200 Stunden Theorie führten und Vorgaben festlegten für die Bereiche der praktischen Ausbildung.

Heute ist Krankenpflege ein eigenständiger Gesundheitsberuf. Das Ziel der Tätigkeit ist, die durch Krankheit eingeschränkte Fähigkeit des Menschen, für sich zu sorgen, aufrecht zu erhalten, zu unterstützen und wiederherzustellen. Zentrale Aufgaben liegen dabei im Bereich der Beratung, Fürsorge und Hilfe bei den Aktivitäten des täglichen Lebens.

In einigen Bundesländern wird eine integrative Pflegeausbildung angeboten. Dann kann zusätzlich der Abschluss in Kinderkrankenpflege oder Altenpflege erworben werden. Weiterbildung und fachliche Spezialisierung, zum Beispiel Gerontologische Pflege, Intensivpflege und Psychiatrische Pflege, ist möglich. Auch werden verschiedene Studiengänge an Fachhochschulen in den Bereichen Pflegewissenschaft, Pflegemanagement und Pflegepädagogik angeboten.

Neben der dreijährigen Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege gibt es auch die einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehilfe.

Von der Säuglingspflegerin zur Fachkraft für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege

Die erste Kinderabteilung in einem deutschen Krankenhaus wurde zwar schon 1829 an der Berliner Charité eröffnet, aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Kinderheilkunde als eigenständige Fachdisziplin. Der Kinderarzt Arthur Schlossmann (1867-1932) bildete 1897 in seinem Kinderheim in Dresden Säuglingspflegerinnen aus und in der Folgezeit setzte sich diese Spezialisierung weiter durch. Eine verbindliche und einheitliche Ausbildung gab es zunächst nicht, aber in Anlehnung an die allgemeine Krankenpflege erfolgte in der Regel eine einjährige Ausbildung. Das Land Preußen erließ 1917 erstmals eine staatliche Ausbildungs- und Prüfungsordnung. Die einjährige Ausbildung enthielt 200 Stunden Theorie und schloss mit einer staatlichen Prüfung zur Säuglingspflegerin ab. Die Berufsbezeichnung veränderte sich zur Säuglings- und Kleinkinderpflegerin oder Kleinkinderkrankenpflegerin, 1938 hieß es Säuglings- und Kinderschwester, 1957 Kinderkrankenschwester. Diese Bezeichnung wurde gesetzlich geschützt. Die Dauer der Ausbildung – zwei Jahre mit 400 Stunden Theorie und dem einjährigen Berufsanderkennungsjahr mit 50 Stunden Theorie – war vergleichbar der allgemeinen Krankenpflege. Das Krankenpflegegesetz von 1965 schrieb dann 1.200 Stunden theoretischen Unterricht vor. Arbeitsfeld und Berufsbild veränderten sich. Die bislang überwiegende Tätigkeit im Krankenhaus wurde ausgedehnt auf den Bereich der häuslichen Pflege und ambulanter Behandlungen. Psychosoziale und präventive Maßnahmen unter Einbezug der Familie und sozialer Netzwerke gehören zu den erweiterten Aufgaben. 1985 nahm das Krankenpflegegesetz zum ersten Mal die männliche Berufsbezeichnung Kinderkrankenpfleger auf.

Von der fürsorglichen Betreuung zur gelernten Altenpflege

„Altenpfleger/innen betreuen und pflegen hilfsbedürftige alte Menschen. Sie nehmen konkrete pflegerisch-medizinische Aufgaben wahr, unterstützen alte Menschen bei der Alltagsbewältigung, beraten sie und motivieren zu sinnvoller Beschäftigung und Freizeitgestaltung“. So beschreibt die Arbeitsagentur heute die Tätigkeit in der Altenpflege. Der Beruf hat ein klares Profil bekommen, nachdem die Altenpflege-Ausbildung für alle Bundesländer seit 2003 einheitlich geregelt ist. Verglichen mit den anderen sozialen und pflegerischen Berufen ist die Berufsgeschichte der Altenpflege relativ jung. In den Anfängen um 1960 war die Arbeit wesentlich von sozial-pflegerischen Aufgaben geprägt, die von Frauen mit unterschiedlicher Vorbildung geleistet wurden. Die Zunahme älterer Menschen und die vermehrte Einrichtung von speziellen Wohnstätten für sie weckte den Bedarf an besonders ausgebildeten Fachkräften. Deshalb schufen einzelne Länder schon Ende der 1960er Jahre Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften für den Beruf der Altenpflegerin. 1974 entstand der Deutsche Berufsverband für Altenpflege (DBVA). Er unterstützte die Profilierung und gesellschaftliche Anerkennung des neuen Berufes, formulierte ein Berufsbild, gab Anstöße zur Erweiterung der Ausbildungskonzeption und forderte eine tarifliche Eingruppierung, die sich an die anderen Gesundheits- und Krankenpflegeberufe anlehnte.

Qualität, Inhalte und Dauer der Ausbildung, aber auch Tätigkeitsprofile wichen in den einzelnen Bundesländern zunächst stark voneinander ab. Eine einheitliche dreijährige Ausbildung kann sich erst Ende der 1990er Jahre durchsetzen und nach dem Altenpflegegesetz von 2003 auch bundeseinheitlich etablieren. Im theoretischen Unterrichtsteil werden 2.100 Unterrichtsstunden, im praktischen Teil 2.500 Stunden festgeschrieben. Altenpfleger und -pflegerinnen arbeiten heute im medizinisch-sozialen Bereich in Altenwohnheimen, Rehabilitationseinrichtungen, geriatrischen Abteilungen, auch im ambulanten Pflegedienst oder in der Tages- oder Kurzzeitpflege. Sie organisieren und gestalten den Pflegeprozess eigenständig, wirken bei der Behandlungspflege mit und beraten Angehörige.

Autor: Wilfried Diekmann

Literatur:

Ralph Christian Amthor: Die Geschichte der Berufsausbildung in der Sozialen Arbeit. Auf der Suche nach Professionalisierung und Identität, Weinheim 2003.

Eduard Seidler: Geschichte der Medizin und Krankenpflege, 6.Aufl. Stuttgart 1993.

Marianne Schmidbaur: Vom „Lazaruskreuz zu „Pflege aktuell“. Professionalisierungsdiskurse in der deutschen Krankenpflege 1903-2000, Königstein/Ts. 2002.

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