Diakonie/Francesco Ciccolella

Gesetzesänderung Sanktionenrecht: Armut darf nicht zu Inhaftierung führen

Das heute vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Änderung des Sanktionenrechts ist nach Ansicht der Diakonie Deutschland ein Schritt in die richtige Richtung.

22.06.2023

Die Haftdauer soll halbiert werden und ist damit eine Verbesserung für Menschen, die künftig eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen müssen. Nun müssen die Bundesländer dafür sorgen, dass Ersatzfreiheitsstrafen ganz vermieden werden.

Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland: "Armut darf nicht zu Inhaftierung führen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe trifft in der Regel Menschen, die sich in einer prekären Lebenssituation befinden. Sie sind nicht zahlungsunwillig, sondern schlicht zahlungsunfähig. Wer zu einer Geldstrafe verurteilt wird, muss in der Lage sein, diese auch zu bezahlen. Deshalb ist es richtig, das Gerichte zukünftig angehalten sind, dass verurteilten Menschen das Existenzminimum zum Leben bleibt. Nun gilt es, diese Änderungen auch in der Praxis umzusetzen. Zudem darf das Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Fahrschein nicht länger als Straftat behandelt werden, sondern muss endlich entkriminalisiert werden."

Die meisten Bundesländer führen bereits Maßnahmen zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch, wie zum Beispiel Programme für Ratenzahlungen oder Projekte für eine aufsuchende Sozialarbeit. Aus Sicht der Diakonie gilt es, diese Maßnahmen weiter auszubauen und zu verstetigen sowie neue Ideen zur Reduktion von Ersatzfreiheitsstrafen zu entwickeln.

Hintergrund

Viele Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, werden aufgrund eines sogenannten Bagatelldelikts verurteilt. Dazu zählen zum Beispiel kleinere Eigentumsdelikte, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder das Fahren ohne Fahrschein. Eine nicht bezahlte Geldstrafe ist in Deutschland aktuell der häufigste Grund dafür, dass Menschen ins Gefängnis müssen. Insgesamt werden rund 56.000 Menschen jährlich mit einer Ersatzfreiheitsstrafe inhaftiert. Dabei werden Geldstrafen eigentlich dann verhängt, wenn eine Freiheitsstrafe weder als angemessen noch als erforderlich angesehen wird.

Mit dem heute vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts wurde der Umrechnungsmaßstab einer Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe halbiert: Während bisher für jeden nicht bezahlten Tagessatz Geldstrafe ein Tag in Haft verbracht werden musste, werden nun mit einem Tag in Haft zwei Tagessätze getilgt. Zukünftig sollen die Gerichte zudem bei der Verhängung von Geldstrafen darauf achten, dass die Menschen mindestens das zum Leben unerlässliche Minimum ihres Einkommens behalten dürfen. Dies war in der Vergangenheit häufig nicht der Fall, weshalb bisher vor allem Menschen in Armutslagen von einer Ersatzfreiheitsstrafe betroffen sind. Auch die vorgesehene stärkere Einbindung der Gerichtshilfe bei der Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe kann dazu beitragen, Ersatzfreiheitsstrafen zukünftig stärker zu vermeiden.

Verena Götze
©Hermann Bredehorst

Verena Götze

stellvertretende Pressesprecherin

verena.goetze@diakonie.de 030 652111780

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