Friedrich v. Bodelschwingh d.J.
Geboren 14. August 1877 in Gadderbaum, Landkreis Bielefeld, gestorben 4. Januar 1946 ebd.
Pfarrer, Anstaltsleiter der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel von 1910 bis 1946
Als jüngster Sohn von Ida und Friedrich von Bodelschwingh wuchs Friedrich von Bodelschwingh der Jüngere in Bethel auf. Sein Vater hatte im Jahr 1872 die Leitung der fünf Jahre zuvor gegründeten „Anstalt für Epileptische Bethel“ bei Bielefeld – später von Bodelschwinghsche Anstalten Bethel – übernommen. Nach dem Abitur auf dem Bielefelder Ratsgymnasium im Jahr 1896 studierte v. Bodelschwingh d. J. Theologie in Bonn, Basel, Tübingen und Greifswald. Als sein Vater im Jahr 1910 verstarb, wurde v. Bodelschwingh d. J. von den Vereinigten Vorständen in die Leitung berufen. Im April 1911 heiratete er die studierte Malerin Julia von Ledebur (1874-1954). Unter seiner Leitung expandierten die von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel weiter, vor allem im pädagogischen Bereich (Heimvolkshochschule, Höhere Schulen für Jungen und Mädchen, Umschulungsmaßnahmen für Jungen im Betheler Arbeitsdienst).
v. Bodelschwinghs Stärken lagen vor allem in der Seelsorge. Aufgewachsen im spezifisch religiösen Milieu Bethels, wurde ihm eine außerordentliche Fähigkeit nachgesagt, auf andere Menschen eingehen zu können. Doch als Leiter der größten Anstalt der Inneren Mission in Deutschland sah er sich seit Anfang der 1920er Jahren zunehmend veranlasst, kirchen- und diakoniepolitische Aufgaben zu übernehmen, u.a. im Central-Ausschuss für Innere Mission. Durch sein oft vermittelndes Handeln wurde er zu einer der führenden Persönlichkeiten im deutschen Protestantismus. Am 27. Mai 1933 wurde Bodelschwingh d. J. zum Reichsbischof der sich neu formierenden „Deutschen Evangelischen Kirche“ gewählt, trat aber nach wachsendem politischem Druck am 24. Juni 1933 wieder zurück.
In den folgenden kirchenpolitischen Auseinandersetzungen agierte er weitgehend im Hintergrund. Konfrontiert sah sich v. Bodelschwingh d. J. sowohl als Diakoniepolitiker wie auch als Anstaltsleiter mit der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Gegenüber eugenisch indizierten Sterilisationen hatte er sich bereits in den Diskussionen seit Ende der 1920er Jahre aufgeschlossen gezeigt. Das am 1. Januar 1934 in Kraft getretene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde auch in den v. Bodelschwinghschen Anstalten umgesetzt. Die nationalsozialistischen Krankenmorde lehnte v. Bodelschwingh d. J. jedoch ab. Bei seinem Engagement gegen die so genannte Euthanasie setzte er vor allem auf seine kommunikativen Fähigkeiten: Er nahm schriftlich und persönlich Kontakt zu Verantwortlichen des nationalsozialistischen Staates auf, vermied jedoch eine öffentliche Stellungnahme. Sein Handeln trug mit dazu bei, dass zumindest die von v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel von massenhaften Abtransporten der Patienten und Patientinnen weitgehend verschont blieben.
In der Nachkriegszeit zählte v. Bodelschwingh d. J. als Mitglied der Konferenz von Treysa, die Ende August 1945 tagte, zu den Mitbegründern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Am 4. Januar 1946 starb v. Bodelschwingh d. J. im Alter von 68 Jahren an einer schweren Lungenerkrankung, an der er schon seit vielen Jahren litt. Er liegt auf dem Friedhof der Zionsgemeinde in Bethel begraben.
Autorin: Kerstin Stockhecke
Literatur
- Matthias Benad (Hrsg.): Friedrich v. Bodelschwingh d. J.. Frömmigkeit und Weltgestaltung, Stuttgart, Berlin, Köln 1997.