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Deckelung der Unterkunftskosten von Bürgergeldempfänger:innen kostet mehr und hilft nicht

Eine Deckelung der Unterkunftskosten für Bürgergeldempfänger:innen klingt nach einer einfachen Sparmaßnahme – doch sie könnte zum teuren Bumerang werden. Statt Einsparungen drohen höhere Ausgaben und mehr soziale Probleme.

Lars Schäfer | 18.07.2025

Wer Bundeskanzler Friedrich Merz im Sommerinterview gesehen hat, bekommt unweigerlich den Eindruck, dass er als Mann der Tat nun endlich liefern möchte. Und „liefern“ heißt in diesem Fall: Er möchte sein Versprechen einlösen, Gelder bei Bürgergeldempfänger:innen einzusparen. Schließlich haben sich CDU/CSU seit geraumer Zeit auf das Bürgergeld und die ihres Erachtens zu hohen Kosten eingeschossen. Diffamierungen von Menschen in Armutslagen wurden in der Debatte dabei nicht nur in Kauf genommen, sondern immer wieder befeuert.

Dabei ist allen Fachleuten klar, dass sich das Bürgergeld denkbar schlecht dazu eignet, das Haushaltsloch zu stopfen. Denn das Einsparpotenzial beim Regelsatz ist gering: Von den etwa 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger:innen sind rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. Und von den knapp 4 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten waren nicht mal 2 Millionen arbeitslos gemeldet. Und die sind keineswegs so faul, wie viele in Politik und Medien gerne behaupten: Die Statistik zeigt, dass weniger als 1% der erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger:innen im Jahr 2023 sanktioniert wurde. Gerade mal knapp 16.000 Menschen wurde dabei der Regelsatz gekürzt, weil sie tatsächlich einen Job abgelehnt hatten; die meisten Kürzungen beruhten auf Meldeversäumnissen. Wenn die geplanten Einsparungen im Bürgergeld (im Jahr 2026 1,5 Milliarden Euro und im Jahr 2027 3,5 Milliarden Euro) mit Sanktionen und schnellerer Arbeitsvermittlung erreicht werden sollen, müssten zum einen so viele Empfänger:innen unverhältnismäßig hart sanktioniert werden, dass die Gerichte diesem Vorgehen völlig zu Recht einen Riegel vorschieben würden. Zum anderen müsste die Vermittlung in Arbeit deutlich besser gelingen als bisher, was nicht zuletzt weitere Investitionen in eine adäquate Ausstattung der Jobcenter voraussetzen würde. Mittlerweile dürfte daher auch den meisten in der CDU / CSU klar geworden sein, dass die geplanten Einsparungen so nicht zu erreichen sind.

Wo also das Geld hernehmen? Die neue Idee ist, die Unterkunftskosten im Bürgergeld zu begrenzen, indem man die Zahlungen pauschaliert, also die Kosten nicht mehr in der tatsächlichen Höhe erstattet. Denn bisher wird Bürgergeldempfänger:innen nicht nur der Regelsatz ausgezahlt, sondern sie bekommen auch die sogenannten Kosten der Unterkunft erstattet, also ihre Miete und ihre Heizungskosten, und zwar in tatsächlicher Höhe – sofern sie als angemessen gelten.

Bereits der frühere Finanzminister Christian Lindner hatte hier Einsparpotenzial gesehen und vorgeschlagen, künftig nur noch eine Pauschale für die Unterkunftskosten auszuzahlen. So hätten Bürgergeldempfänger:innen einen Anreiz in günstigere Wohnungen umzuziehen, wodurch der Staat Geld sparen würde. Zudem müssten die Jobcenter nicht mehr die aufwendigen Prüfungen durchführen, was Ressourcen und weiteres Geld einsparen würde. Während dieser Vorschlag kurz vor dem Ampelbruch kaum Aufmerksamkeit gefunden hatte, scheint er nun an Fahrt zu gewinnen. Und wieder wird eine vermeintliche Ungerechtigkeit als Begründung vorgeschoben: Denn es könne ja schließlich nicht sein, dass Bürgergeldempfänger*innen mitunter 20 Euro pro Quadratmeter bezahlt würden, damit sie in ihren überdimensionierten Wohnungen wohnen bleiben können. Folgerichtig bräuchte man eine Deckelung der Unterkunftskosten.„Pauschalierung ist möglich, geringere Sätze sind möglich“, sagte Friedrich Merz im Sommerinterview. Aber stimmt das?

Sparen? Es dürfte den Staat eher teurer kommen

Schon jetzt dürfen Wohnungen eine bestimmte – regional unterschiedliche – Miethöhe nicht überschreiten. Und auch die maximalen Wohnungsgrößen sind bereits geregelt. Die Möglichkeit einer Pauschalierung darüber hinaus ist rechtlich zumindest umstritten. Aber ließe sich – vorausgesetzt eine Deckelung der Unterkunftskosten wäre möglich – damit wirklich Geld sparen? Diese Rechnung dürfte erneut nicht aufgehen – im Gegenteil: Es dürfte den Staat eher teurer kommen, die Unterkunftskosten zu deckeln. Denn die Bürgergeldempfänger:innen bleiben nicht deshalb in relativ teuren Wohnungen, weil sie nicht bereit sind, in günstigere Wohnungen umzuziehen. Sondern es gibt diese günstigeren Wohnungen schlicht nicht. Insofern ist dieser Vorschlag völlig ungeeignet und verkennt die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt.

Wenn die Unterkunftskosten auf diesem Wohnungsmarkt gedeckelt würden, gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sparen sich noch mehr Menschen die Differenz zwischen dem Pauschalbetrag und den tatsächlichen Unterkunftskosten weiter von ihrem Regelsatz ab, obwohl aufgrund dieser sogenannten Wohnkostenlücke schon jetzt viele Menschen das Existenzminimum unterschreiten. Oder sie verlieren ihre Wohnung und sind wohnungslos. Das wäre nicht nur sozialpolitisch fatal, denn schließlich hat sich die Bundesregierung eigentlich dem Ziel verschrieben, die Obdach- und Wohnungslosigkeit bis zum Jahr 2030 zu überwinden. Es wäre auch unter fiskalischen Gesichtspunkten völlig verfehlt. Denn die Kommunen sind nach dem Ordnungs- und Polizeirecht dazu verpflichtet, wohnungslose Menschen unterzubringen. Und diese Unterbringung ist meist deutlich teurer als die Übernahme der Mietkosten. Schon jetzt führt die Situation auf den angespannten Wohnungsmärkten dazu, dass vielen Jobcentern nichts anderes übrigbleibt als überteuerte Mieten zu bezahlen, während einige Unternehmen die Not der Kommunen ausnutzen, und sich horrende Mieten oder Unterbringungskosten bezahlen lassen.

Der einzige Weg um mittel- bis langfristig die Unterkunftskosten zu senken, und damit Einsparungen zu erreichen, ist die Schaffung mehr bezahlbaren Wohnraums – im Neubau und im Bestand. So lange am Bedarf der meisten Menschen vorbeigebaut wird und vor allem hochpreisiger Neubau entsteht, werden sich die Unterkunftskosten im Bürgergeld nicht senken lassen. Stattdessen wird die Mietpreisspirale zu immer höheren Kosten führen. Echte Einsparpotentiale liegen also nicht auf der Seite der Bürgergeldempfänger:innen, sondern auf der Seite derer, die an den immer weiter steigenden Mieten und Unterbringungskosten verdienen.

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