„Arbeit lohnt sich immer?!“

Angst bremst Integration in Arbeit

Neue Studie zeigt, wie individuelle Lebenslagen, Ängste und fehlende Sicherheit die Rückkehr in Arbeit erschweren – und welche Wege aus der Langzeitarbeitslosigkeit führen können.

Elena Weber

Die aktuelle Studie „Arbeit lohnt sich immer?!“ liefert wichtige Erkenntnisse darüber, warum viele Langzeiterwerbslose nicht in den Arbeitsmarkt eintreten. Im Mittelpunkt stehen nicht fehlende Motivation oder mangelnde Qualifikation, sondern Ängste, Unsicherheiten und das Bedürfnis nach Sicherheit.

Herausgegeben wird die Studie von zwei Mitgliedern der Diakonie, dem Evangelischen Fachverband für Arbeit und soziale Integration (EFAS) und dem Sozialunternehmen NEUE ARBEIT gGmbH. Wissenschaftlich begleitet wurde die Studie von Professor Franz Schultheis von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen und Professorin Claudia Schulz von der Ev. Hochschule Ludwigsburg.

Das Besondere: Langzeiterwerbslose wurden geschult und führten selbst Interviews mit Betroffenen. So entstanden ehrliche Einblicke in individuelle Lebenslagen.

Es gibt nicht den typischen Langzeiterwerbslosen 

Zahlen und Statistiken zeigen nur einen Teil der Realität – sie lassen die komplexen Lebensgeschichten hinter der Langzeiterwerbslosigkeit unsichtbar. Die Studie setzt deshalb auf qualitative Forschung, um die vielfältigen, oft sehr persönlichen Gründe zu verstehen, warum der Weg zurück in Arbeit so schwerfällt. Neben messbaren Faktoren wie fehlenden Abschlüssen spielen auch subjektive Erfahrungen, psychische Belastungen und ein geringes Selbstwertgefühl aufgrund von Gewalterfahrungen eine große Rolle.

Wer fängt auf, wenn der Schritt auf den 1. Arbeitsmarkt schief geht?

Viele Betroffene fürchten, in instabile oder schlecht bezahlte Jobs gedrängt zu werden. Sie erleben Unsicherheit, ob sie den Anforderungen des Arbeitsmarktes gewachsen sind, und haben Angst, vertraute Strukturen zu verlieren. Vor allem die Aussicht auf ein „Aufstockerdasein“ - also den Lohn mit Bürgergeld oder Wohngeld aufstocken zu müssen – bereitet Sorge. Kommt der Lohn pünktlich, das Geld vom Amt rechtzeitig, um Miete und Einkauf zu bezahlen? Rücklagen fehlen meist. Ein Betroffener beschreibt das Bürgergeld im Vergleich zu den Unsicherheiten beim Jobeinstieg als „prekär aber safe“. Stigmatisierung als faul oder arbeitsscheu verstärkt diese Unsicherheiten.

Die Reform „Neue Grundsicherung“ steht an

Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussion um die Reform des Bürgergeldes und die Einführung einer neuen Grundsicherung sind diese Erkenntnisse relevant. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird ein Kurswechsel angekündigt hin zu schneller Vermittlung und schärferen Sanktionen. Die Studie zeigt: Sanktionen verstärken Drehtüreffekte und können instabile Lebenslagen verschärfen. Stattdessen braucht es „positiven Druck“ - empathisches, kritisch-konstruktive Begleitung eingebettet in ein Vertrauensverhältnis. Das bedeutet intensive Beziehungsarbeit und die kostet Geld.

Versprechen auf individuelle Begleitung endlich einlösen

Die Ergebnisse der Studie zeigen: Wer nachhaltige Vermittlung will, muss die Unsicherheiten der Menschen ansprechen, sie ermutigen, eng begleiten und gemeinsam mit ihnen – sowie Arbeitgebern – nach Lösungen suchen. Standardverfahren und Ansätze von der Stange bringen nichts und kosten auch viel Geld. Das Bürgergeldgesetz bietet grundsätzlich gute Instrumente, sie scheitern an der Umsetzung. Eine adäquate Ausstattung der Jobcenter ist die Grundlage dafür, dass diese wirksam umgesetzt und nachhaltige Wege in den Arbeitsmarkt schaffen können.

Eine weitere Erkenntnis für die Praxis der Jobcenter und Maßnahmeträger: Maßnahmen sollten Arbeitgeber viel stärker mit einbeziehen und sie sollten stärker als Orte gestaltet werden, an denen sich Langzeiterwerbslose erproben und den Wiedereinstieg trainieren können. Es gibt viele Beispiele guter Praxis, die mehr Verbreitung verdienen.

Die Studie steht ab sofort kostenfrei zum Download bereit: https://arbeit-lohnt-sich-immer.de/

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