UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

30. April 2021
  • Wissen Kompakt
  • Inklusion und Behindertenhilfe

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen trat in Deutschland 2009 in Kraft. Sie ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der die Rechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen beschreibt. Suchen Sie Hilfe, Rat oder Angebote? Wir sind vor Ort für Sie da.

Ein Mädchen zeigt einem Jungen im Rollstuhl etwas auf dem Handy
© Diakonie/Kathrin Harms

Die UN-BRK umfasst 50 Artikel, die die universellen Menschenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen formulieren. Diese umzusetzen, ist eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe.

Was ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK)?

Die UN-BRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der die Menschenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen beschreibt. Bisher haben 128 Staaten, darunter auch Deutschland, die UN-BRK unterzeichnet.

Pflicht zur Umsetzung der UN-BRK

Mit der Ratifizierung und dem Inkrafttreten der UN-BRK in Deutschland hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die UN-BRK in nationales Recht umzusetzen. Dazu wurde 2011 ein Nationaler Aktionsplan verabschiedet.

Was ist neu an der UN-BRK?

Weniger die individuellen Beeinträchtigungen der Menschen mit Behinderungen sind entscheidend für ihre Lebenssituation, sondern vielmehr jene gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Menschen mit Behinderungen gesellschaftlich ausgrenzen oder diskriminieren. Mit dieser Erkenntnis geht die UN-BRK nicht mehr vom medizinischen, sondern vom menschenrechtlichen Modell von Behinderung aus. Wesentlich ist der Gedanke, dass gesellschaftliche Inklusion ein Menschenrecht ist.

Die Grundsätze der UN-BRK lauten:

  • Selbstbestimmung
  • Nichtdiskriminierung
  • Akzeptanz der Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Menschen

Die UN-BRK steht unter dem Motto "Nothing about us without us!" (Nicht über uns ohne uns!). Das bedeutet, Menschen mit Behinderungen haben das Recht und die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Damit sie wirklich mitentscheiden können, ist gegebenenfalls Unterstützung notwendig, beispielsweise in Form der "assistierten Autonomie". Menschen mit Behinderungen haben die UN-BRK mitentwickelt und sollen auch bei der Umsetzung in Staat und Gesellschaft beteiligt sein.

Worum geht es inhaltlich in der UN-BRK?

Die UN-BRK umfasst nach einer Präambel 50 Artikel, die die universellen Menschenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen formulieren.

Einige Artikel der UN-BRK als Beispiel:

  • Barrierefreiheit vollumfänglich (Artikel 9)
    Die UN-BRK fordert, unter dem Begriff der Barrierefreiheit sämtliche Barrieren für Menschen mit Behinderungen abzubauen. Barrierefreiheit geht über bauliche Vorkehrungen etwa für Rollstuhlfahrer hinaus. Vielmehr existieren in fast allen Bereichen des täglichen Lebens Barrieren, die überwunden werden sollen. Zur Barrierefreiheit zählen also auch Texte in leichter Sprache und der Zugang zu Medien und Kommunikation.

  • Körperliche Unversehrtheit (Artikel 10-17)
    Die UN-BRK betont, dass die allgemeinen Menschenrechte selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderungen gelten. Sie sind vor Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu schützen, beispielsweise durch ein Verbot von Folter oder medizinischen Experimenten an Menschen mit Behinderungen.

  • Wohnen und Privatsphäre (Artikel 22,23)
    Jeder hat das Recht selbst zu entscheiden, wo und mit wem er zusammen wohnen und leben möchte. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Privatsphäre sowie ein Recht auf Ehe, Familie und Sexualleben.

  • Bildung und Arbeiten (Artikel 24,27)
    Jeder hat unabhängig von einer Behinderung dasselbe Recht auf Berufsausbildung und Weiterbildung. Kinder mit und ohne Behinderungen sollen wählen können, ob sie in einer Schule gemeinsam unterrichtet werden. Die Unterzeichnerstaaten sind in der Pflicht, Schulen finanziell auszustatten und Fachkräfte weiterzubilden. Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht auf eine angemessen und bezahlte Arbeit wie Menschen ohne Behinderungen.

  • Regelmäßige Berichte über den Stand der Umsetzung (Artikel 35)
    Alle Staaten, in denen die Konvention gilt, müssen regelmäßig Berichte über den Stand der Umsetzung erstellen. Der erste Bericht ist 2 Jahre nach dem Inkrafttreten zu erstellen, was Deutschland 2011 erfüllt hat. Die weiteren Berichte müssen die Staaten in einem Rhythmus von 4 Jahren verfassen. Diese Staatenberichte werden vom "UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen" in Genf geprüft. Zudem prüft der Genfer Ausschuss den Parallelbericht der zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Umsetzung der UN-BRK in Deutschland. In diesem Bericht nehmen zivilgesellschaftliche Organisationen Stellung zum Umsetzungsstand der UN-BRK in Deutschland und formulieren notwendige Maßnahmen und Änderungserfordernisse. Ein erster "Parallelbericht " wurde 2012 in Deutschland durch die BRK-Allianz aus 78 Organisationen der Zivilgesellschaft erstellt, der auch die Diakonie angehört.

Historie und Ausblick

3. Mai 2008

Die UN-Konvention für Recht von Menschen mit Behinderungen wird von den Vereinten Nationen verabschiedet.

26. März 2009

Die UN-BRK wird in Deutschland ratifiziert und tritt in Kraft.

Juni 2011

Die Bundesregierung verabschiedet einen auf 10 Jahre angelegten Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK.

Januar 2012

78 Organisationen der Zivilgesellschaft gründen die BRK-Allianz. Ihr Ziel ist es, die Staatenberichtsprüfung für Deutschland zur UN-BRK zu begleiten und einen Parallelbericht zu verfassen.

März 2013

Die BRK-Allianz übergibt ihren Parallelbericht zur Umsetzung der UN-BRK in Deutschland an den Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Tom Koenigs, sowie an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Ursula von der Leyen.

2015

Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland wird am 26./27. März 2015 erstmalig vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Committee on the Rights of Persons with Disabilities - CRPD) in Genf geprüft.

Als Ergebnis verabschiedet der Ausschuss am 17. April 2015 die sogenannten Abschließenden Bemerkungen (Concluding Observations). Diese benennen Kritikpunkte und formulieren Empfehlungen für die weitere Umsetzung der UN-BRK in Deutschland. Bund, Länder und Kommunen sind aufgerufen, die Umsetzungsaufträge in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen auszugestalten.

Zusammenfassung der Empfehlungen

Positiv vermerkte der Ausschuss die am 15. Juni 2011 auf Bundesebene erfolgte Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung des Übereinkommens, die Einsetzung einer Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes zum 1. Januar 2013 und die offizielle Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als eigenständige Sprache.

Handlungs- und Verbesserungsbedarf sieht der CRPD-Ausschuss insbesondere bei den nachfolgenden Aspekten:

  •  Aktions- und Maßnahmenpläne aufzustellen, die die Menschenrechte beachten 

  • Partizipation von Menschen mit Behinderungen inklusiv und transparent zu gestalten

  • bestehende gesetzliche Rechtsvorschriften auf die Vereinbarkeit mit der UN-BRK zu prüfen und zukünftige Rechtsvorschriften mit der Konvention in Einklang zu bringen

  • Regelungen zu angemessenen Vorkehrungen als "unmittelbar durchsetzbares Recht" gesetzlich zu verankern; Gemäß Artikel 2 der UN-BRK bedeuten "angemessene Vorkehrungen" notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können.

  • Frauen und Mädchen, insbesondere Migrantinnen und weibliche Flüchtlinge, besser vor Diskriminierung zu schützen

  • Zugänglichkeit (Barrierefreiheit) in allen Sektoren, einschließlich des Privatsektors, auszuweiten

  • bei der rechtlichen Betreuung alle Formen der ersetzten Entscheidung abzuschaffen und an ihre Stelle die unterstützte Entscheidung treten zu lassen; Das heißt, es entscheiden nicht mehr andere Menschen für die Menschen mit Behinderungen, sondern diese entscheiden selbst – mit Unterstützung. 

  • Sterilisation an Erwachsenen mit Behinderungen ohne uneingeschränkte freie und informierte Einwilligung gesetzlich zu verbieten

  • Aufbau eines Schulwesens, das behinderten Kindern/Jugendlichen den Zugang zum  Regelschulsystem ermöglicht und sie nicht davon ausschließt

  • gesetzliche Regelungen, die Menschen mit Behinderungen das Wahlrecht vorenthalten, zu streichen

  • in allen Bundesländern institutionelle Vorkehrungen (sogenannte Focal Points) zu schaffen beziehungsweise die Unabhängigkeit der Behindertenbeauftragten der Länder zu stärken. Diese "Focal Points" sind Stellen, die die Umsetzung der UN-BRK im jeweiligen Zuständigkeitsbereich anleiten und dafür rechenschaftspflichtig sind. So gibt die Konvention beispielsweise vor, einen oder mehrere "Focal Points" innerhalb der Regierung zu bestimmen. Ein wichtiger Focal Point ist beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales angesiedelt.

(Quelle: Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-BRK des Deutschen Instituts für Menschenrechte)

2019

Zum 24. März 2019 muss Deutschland unter besonderer Berücksichtigung dieser Empfehlungen erneut über den Stand der Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen berichten und wird vom UN-Fachausschuss danach erneut überprüft und bewertet. Der ursprüngliche Zeitplan konnte nicht eingehalten werden aufgrund der Vielzahl der zu prüfenden Staatenberichte im Abgleich mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen des Genfer Ausschusses. Daher kommt es zu zeitlichen Verschiebungen im Prüfmodus.

Im kombinierten zweiten und dritten Berichtszyklus musste Deutschland bis zum 1. Oktober 2019 unter besonderer Berücksichtigung dieser Empfehlungen über den Stand der Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen berichten und wird frühestens ab März 2022 erneut vom Ausschuss überprüft und bewertet. Auftakt zu diesem Staatenprüfverfahren bildete die 20. Sitzung des Ausschusses im Herbst 2018, in deren Folge er Deutschland eine Frageliste („List of Issues prior to reporting“) übermittelt hat, die die Grundlage für den zweiten und dritten Staatenbericht Deutschlands bildete.
Dieser Staatenbericht wurde im Juli 2019 vom Bundeskabinett verabschiedet und im September 2019 dem Ausschuss in der verbindlichen englischen Sprachfassung übermittelt (Combined Second and Third Periodic Report of the Federal Republic of Germany). Zudem liegt eine Version in deutscher Sprache sowie in Leichter Sprache vor. Die Sitzung, auf der der Ausschuss den deutschen Staatenbericht und die Umsetzung der UN-BRK prüfen wird, wird frühestens im Frühling 2022 stattfinden.

(Quelle: Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-BRK des Deutschen Instituts für Menschenrechte)

Hintergrund und Zahlen

In Deutschland leben etwa 7 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung. Dies geht aus dem Teilhabebericht der Bundesregierung zu den Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen hervor. Darüber hinaus leben in Deutschland rund 17 Millionen Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder einer chronischen Krankheit.

Weitere Informationen gibt es im dritten Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen 2021.

Statistik der schwerbehinderten Menschen

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht alle zwei Jahre die Statistik der schwerbehinderten Menschen. Die Daten stammen von den Versorgungs­ämtern, die zuständig für die Anerkennung der Behinderung sind.

Ausgewählte Ergebnisse 2019/Mikrozensus

  • Zum Jahresende 2019 lebten rund 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland. Das waren rund 136 000 oder 1,8 Prozent mehr als am Jahresende 2017.
  • Der Anteil der schwerbehinderten Menschen an der gesamten Bevölkerung in Deutschland betrug damit 9,5 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte (50,4 Prozent) waren Männer, 49,6 Prozent Frauen. Als schwerbehindert gelten Personen, denen die Versorgungsämter einen Grad der Behinderung von mindestens 50 zuerkannt sowie einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben.
  • Behinderungen treten vor allem bei älteren Menschen auf: ca. ein Drittel (34 Prozent) der schwerbehinderten Menschen sind 75 Jahre und älter. 44 Prozent gehörten der Altersgruppe von 55 bis 74 Jahren an. Zwei Prozent waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
  • Mit nahezu 89 Prozent wurde der überwiegende Teil der Behinderungen durch eine Krankheit verursacht, rund drei Prozent der Behinderungen waren angeboren beziehungsweise traten im ersten Lebensjahr auf. Knapp ein Prozent der Behinderungen war auf einen Unfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen. Die übrigen Ursachen summieren sich auf sechs Prozent.
  • Körperliche Behinderungen hatten 58 Prozent der schwerbehinderten Menschen: Bei 25 Prozent waren die inneren Organe beziehungsweise Organsysteme betroffen. Bei elf Prozent waren Arme und/oder Beine in ihrer Funktion eingeschränkt, bei weiteren zehn Prozent Wirbelsäule und Rumpf. Bei vier Prozent lag Blindheit bzw. eine Sehbehinderung vor. Bei vier Prozent lagen Schwerhörigkeit, Gleichgewichts- oder Sprachstörungen vor Der Verlust einer oder beider Brüste war bei zwei Prozent Grund für die Schwerbehinderung. Geistige oder seelische Behinderungen hatten insgesamt 13 Prozent der schwerbehinderten Menschen, zerebrale Störungen lagen bei neun Prozent vor. Bei den übrigen Personen (19 Prozent) war die Art der schwersten Behinderung nicht ausgewiesen. Bei knapp einem Viertel der schwerbehinderten Menschen (23 Prozent) war vom Versorgungs­amt der höchste Grad der Behinderung von 100 festgestellt worden. 33 Prozent wiesen einen Behinderungsgrad von 50 Prozent auf.

Diakonische Angebote der Behindertenhilfe

Die Diakonie bietet 4.212 Angebote in der Behindertenhilfe mit insgesamt 192.343 Plätzen. Dazu zählen 1.696 Wohnheime und andere stationäre Angebote, 1.280 teilstationäre Angebote für Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Erkrankungen sowie 1.135 Beratungsstellen und ambulante Dienste. Darüber hinaus gibt es 58 Fachschulen der Behindertenhilfe und 43 Selbsthilfegruppen und Organisationen freiwilligen Engagements in der Diakonie (Quelle: Einrichtungsstatistik 2018 der Diakonie Deutschland).

Bewertung der Diakonie Deutschland

Die Umsetzung der UN-BRK ist eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Bund, Länder und Kommunen sind gemeinsam dafür verantwortlich, Inklusion umzusetzen. Die Diakonie Deutschland fordert die Bundespolitik auf, systematisch zu prüfen, ob die bestehenden sowie alle zukünftigen Gesetze und Verordnungen mit der UN-BRK vereinbar sind. Bei Bedarf müssen die Gesetze und Verordnungen entsprechend angepasst werden. Wird die Konvention nicht umgesetzt, braucht es Interventions- und Sanktionsmechanismen. Dazu zählt zum Beispiel, dass Arztpraxen keine Zulassung erhalten, wenn sie nicht barrierefrei sind, oder staatliche Subventionen und Zuwendungen zum Wohnungsbau nur unter der Voraussetzung gegeben werden, dass ein bestimmter Prozentsatz des Wohnraums barrierefrei gestaltet wird. Zudem fordert die Diakonie, einen Inklusionsindex einzuführen, der inklusive Strukturen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene messbar macht. Trotz föderaler Strukturen sieht die Diakonie die Notwendigkeit, dass die bundesweite Umsetzung der UN-BRK durch die Bundespolitik verantwortet wird.

Die Erwartungen an eine zügige Umsetzung der UN-BRK in Deutschland sind enorm hoch. Derzeit läuft der UN-BRK-Inklusionsansatz jedoch Gefahr, an vielen Stellen in Staat, Gesellschaft und Politik inflationär gebraucht zu werden. Nahezu alle Entwicklungen in der Teilhabepolitik für Menschen mit Behinderungen werden mit dem Etikett der Inklusion versehen. Aus Sicht der Diakonie wird die UN-BRK, ganz entgegen ihren Inhalten und Zielen, teilweise sogar dazu instrumentalisiert, Hilfeleistungen zur gesellschaftlichen Teilhabe für Menschen mit Behinderungen einzusparen. Der von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UN-BRK in Deutschland ist nach Ansicht der Diakonie an vielen Stellen zu vage und lässt zudem keine Gesamtstrategie zur Umsetzung der UN-BRK erkennen. Auch die Fortschreibung des Nationalen Aktionsplans (NAP 2.0) der Bundesregierung in 2016 lässt nach Ansicht der Diakonie weiterhin eine Gesamtstrategie vermissen, die eine Orientierung für die Erstellung von Aktionsplänen in den Ländern und Kommunen gibt. So gibt es mittlerweile in fast jedem Bundesland einen eigenen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK.

Wesentliche Reformen – wie beispielsweise die Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes oder die Reform der Eingliederungshilfe UN-BRK-konform und unter Berücksichtigung der Concluding Observations weiterzuentwickeln – sind aus fachpolitischer Sicht  der Diakonie Deutschland nur bedingt gelungen. Zwar sind eine Reihe von Neuregelungen erfolgt, aber aus fachpolitischer Perspektive sind Inklusion und Teilhabe nicht in der erforderlichen Konsequenz verankert worden. So gibt es beispielsweise bis heute keine neue gesetzliche Definition von Behinderung auf Bundes- und Länderebene, die die allgemeinen Prinzipien und Bestimmungen der UN-BRK erfüllt. Zudem sind nach Ansicht der Diakonie angemessene Finanzmittel bereitzustellen, um Inklusion, Selbstbestimmung und eine unabhängige Lebensführung tatsächlich zu ermöglichen. Notwendig wären dazu beispielsweise mehr soziale Assistenzleistungen und ambulante Dienste, die Menschen mit geistigen oder psychosozialen Behinderungen im Alltag unterstützen. Nach Ansicht der Diakonie darf es nicht sein, dass Menschen mit Behinderungen zusätzliche behinderungsbedingte Aufwendungen, insbesondere für eine unabhängige Lebensführung, selbst tragen müssen.

Mit Sorge betrachtet die Diakonie Deutschland deshalb beim Bundesteilhabegesetz jene gesetzgeberischen Weichenstellungen, die schwerpunktmäßig auf eine zu optimierende Kostensteuerung in der Eingliederungshilfe abzielen anstatt Teilhabeleistungen im Sinne  einkommens- und vermögensunabhängiger echter Nachteilsausgleiche weiterzuentwickeln.

 Text: Diakonie/Sarah Spitzer, Ulrike Pape und Martina Menzel

Ansprechpartnerin

Martina Menzel

Soziale Teilhabe für Menschen mit Behinderung

030 65211-1657

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