Pflegeversicherung
- Wissen Kompakt
- Gesundheit und Pflege
- Pflegeversicherung
Die Pflegeversicherung sichert Menschen gegen Folgen von Pflegebedürftigkeit ab. Hintergründe bietet dieses Wissen Kompakt. Suchen Sie Hilfe, Rat oder Angebote? Wir sind vor Ort für Sie da.
Was ist die Pflegeversicherung?
Die Pflegeversicherung wurde 1995 eingeführt, um Menschen gegen die Folgen von Pflegebedürftigkeit abzusichern. Sie ist die fünfte Säule der Sozialversicherung - neben der Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung - und wird von den Pflegekassen getragen. Sie wurde 1995 als eine umlagefinanzierte Pflichtversicherung eingeführt. Dabei wurde sie als "Teilleistungsversicherung" konzipiert, das heißt die Leistungen der Pflegeversicherung decken nur einen Teil der Kosten ab, die für die Pflege eines Menschen nötig sind. Kosten, die darüber hinausgehen, müssen in erster Linie von den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen getragen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen springt die Sozialhilfe ein.
Mit dem Pflegestärkungsgesetz 2 wurde eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung zum 01.01.2017 vorgenommen. Es wurde ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt, anstatt drei Pflegestufen gibt es nun fünf Pflegegrade und die Leistungshöhen werden verändert. Außerdem gibt es seither einen einrichtungseinheitlichen Eigenanteil.
Organisation und Finanzierung
Die Pflegeversicherung ist eine Pflichtversicherung. Wer gesetzlich krankenversichert ist, ist automatisch auch bei der Pflegeversicherung, die sich unter dem Dach der jeweiligen Krankenversicherung befindet, gesetzlich pflegeversichert. Wer eine private Krankenversicherung abgeschlossen hat, muss sich bei der der jeweiligen privaten Krankenversicherung zugeordneten privaten Versicherung auch privat pflegeversichern. Der aktuelle Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt ab dem 01.01.2022 3,05 Prozent des Lohns. Davon zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils die Hälfte. Kinderlose zahlen einen Zuschlag von 0,35 Prozent, sofern sie mindestens 23 Jahre alt und nach dem 31. Dezember 1939 geboren sind. Insgesamt liegt ihr Beitrag also bei 3,40 Prozent.
Warum war der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff erforderlich?
Der bis Ende 2016 gültige Pflegebedürftigkeitsbegriff ist vor allem auf körperliche Einschränkungen bezogen. Gerontopsychiatrische und psychische Beeinträchtigungen werden nur eingeschränkt berücksichtigt. Deshalb bekommen Menschen mit Demenzerkrankungen heute vergleichsweise geringe Leistungen von der Pflegeversicherung. Das ändert sich mit der Reform grundlegend. Körperliche, kognitive und psychische Beeinträchtigungen werden gleichermaßen und umfassend berücksichtigt.
Was hat sich durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs geändert?
Zum 1. Januar 2017 wurde das Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit geändert. Maßstab ist seitdem der Grad der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen. Jetzt gibt es fünf Pflegegrade, was eine differenziertere Einschätzung des benötigten Pflegeaufwandes ermöglicht. Bei der Begutachtung kommt es dann nicht mehr darauf an festzustellen, wie viele Minuten Hilfebedarf ein Mensch beim Waschen und Anziehen oder bei der Nahrungsaufnahme hat. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie selbstständig der Mensch bei der Bewältigung seines Alltags ist - was kann er und was kann er nicht mehr?
Maßgeblich für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in den nachfolgenden sechs Bereichen:
1. Mobilität: Wie selbstständig kann der Mensch sich fortbewegen und seine Körperhaltung ändern?
2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Wie findet sich der Mensch in seinem Alltag örtlich und zeitlich zurecht? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen? Kann die Person Gespräche führen und Bedürfnisse mitteilen?
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Wie häufig benötigt der Mensch Hilfe aufgrund von psychischen Problemen, wie etwa aggressives oder ängstliches Verhalten?
4. Selbstversorgung: Wie selbstständig kann sich der Mensch im Alltag selbst versorgen bei der Körper-pflege, beim Essen und Trinken?
5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Welche Unterstützung wird benötigt beim Umgang mit der Krankheit und bei Behand-lungen? Zum Beispiel Medikamentengabe, Verbandswechsel, Dialyse, Beatmung?
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Wie selbstständig kann der Mensch noch den Tagesablauf planen oder Kontakte pflegen?
Aufgrund einer Gesamtbewertung aller Fähigkeiten und Beeinträchtigungen erfolgt die Zuordnung zu einem der fünf Pflegegrade.
Wie errechnet sich der jeweilige Pflegegrad?
Die Zuordnung zu einem Pflegegrad erfolgt anhand eines Punktesystems. Für jeden der sechs Bereiche (auch Module genannt) wird ein Punktwert ermittelt. Die Höhe der Punkte orientiert sich daran, wie sehr die Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Grundsätzlich gilt: Je höher die Punktzahl, desto schwerwiegender die Beeinträchtigung.
Die sechs Module werden dann unterschiedlich gewichtet. Eine Besonderheit besteht darin, dass nicht beide Werte der Bereiche 2 (Kognitive und kommunikative Fähigkeiten) und 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen), sondern nur der höchste der beiden Punktwerte in die Berechnung eingeht. Die Berechnung des Pflegebedarfs setzt sich also immer aus fünf unterschiedlich gewichteten Punktwerten bzw. Modulen zusammen. Aus dem Gesamtpunktwert wird das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bestimmt und der Pflegegrad abgeleitet. Insgesamt können 100 Punkte (=100%) erreicht werden.
Wann liegt Pflegebedürftigkeit vor?
Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn der Gesamtpunktwert mindestens 12,5 Punkte beträgt. Der Grad der Pflegebedürftigkeit bestimmt sich wie folgt:
Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte (geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten)
Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte (erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten)
Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte (schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten)
Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten)
Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung).
Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden pauschal einen Pflegegrad höher eingestuft. Pflegebedürftige, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen personellen Unterstützungsbedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, werden unabhängig vom Erreichen des Schwellenwertes von 90 Punkten dem Pflegegrad 5 zugeordnet. Diese sogenannte besondere Bedarfskonstellation liegt nur beim vollständigen Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen vor.
Mit der Einführung von § 43c SGB XI wird ab dem 1. Januar 2022 eine Zuschussregelung für pflegebedingte Eigenanteile in der vollstationären Pflege eingeführt. Je länger eine pflegebedürftige Person in einem Pflegeheim lebt, desto geringer soll sein pflegebedingter Eigenanteil in der stationären Langzeitpflege sein. Demnach erhalten Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2-5, ab dem Beginn der Versorgung einen Leistungszuschlag in Höhe von 5 Prozent und Pflegebedürftige die seit mehr als 12 Monaten vollstationäre Leistungen beziehen, künftig einen Leistungszuschlag in Höhe von 25 Prozent ihres zu zahlenden pflegebedingten Eigenanteils. Ab dem dritten Jahr in stationärer Langzeitpflege steigt dieser Zuschlag auf 45 Prozent und ab dem vierten Jahr dauerhaft auf 70 Prozent.
Hintergrund und Zahlen
Rund 4,8 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Rund 3 Millionen werden zuhause betreut. In Deutschland leben heute etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz.
Bewertung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs
Die Diakonie Deutschland begrüßt, dass mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des Neuen Begutachtungsinstruments der notwendige Paradigmenwechsel in der Pflegeversicherung endlich eingeleitet wird. Damit wird die seit 20 Jahren bestehende systemisch bedingte Ungleichbehandlung von somatisch und kognitiv beeinträchtigten Menschen aufgehoben. Pflegerische Betreuungsmaßnahmen werden als neue gleichrangige Leistung ins SGB XI eingeführt und stehen künftig allen pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung. Die alte defizitorientierte Sichtweise auf Pflege wird abgelöst durch ein neues Verständnis von Pflege, das den Blick auf die noch bestehenden Fähigkeiten und Ressourcen lenkt, um die Selbständigkeit der Person zu erhalten oder wieder herzustellen.
Bewertung des Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetzes (PpSG)
Die Intention des vorliegenden Gesetzentwurfs, eine spürbare Verbesserung im Alltag der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege zu erreichen und damit auch die Pflege und Betreuung der Patientinnen und Patienten sowie der Pflegebedürftigen zu verbessern, wird von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege grundsätzlich begrüßt.
Dreh- und Angelpunkt eines Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes muss die Verbesserung der Arbeitssituation in der Langzeitpflege und in der Häuslichen Krankenpflege sein, die seit Jahren durch eine nicht mehr tragbare Arbeitsverdichtung geprägt ist. Der zentrale Schlüssel hierzu ist eine Verbesserung der Personalsituation und eine Reduktion der Arbeitsverdichtung.
Die vorgesehenen Maßnahmen einer zusätzlichen Personalgewinnung in der stationären Langzeitpflege können dazu nur ein erster Schritt sein. Sie sind nicht ausreichend, um den Pflegenotstand wirksam zu beheben. Um dem Pflegefachkraftmangel zu begegnen sind die Schaffung von Rahmenbedingungen für gute Arbeit, eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte und mehr Zeit für Pflege, Betreuung und Gespräche.
Die Kosten dieser Verbesserungen dürfen nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen.
Eine substantielle Entlastung würde eine vollständige Zuordnung der Finanzverordnung für die medizinische Behandlungspflege in die Krankenversicherung darstellen. Damit würde die Benachteiligung der stationär versorgten pflegebedürftigen Menschen gegenüber den zu Hause gepflegten Menschen aufgehoben, denn heute müssen die Menschen in den stationären Pflegeeinrichtungen die medizinische Behandlungspflege aus eigener Tasche bezahlen beziehungsweise sie wird subsidiär durch die Sozialhilfe übernommen.
Das PpSG weist ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Maßnahmen zur Personalverbesserung in der Altenpflege, der häuslichen Krankenpflege und denen im Krankenhaus auf. im Krankenhaus zukünftig jede zusätzliche Stelle in der Pflege finanziert. In stationären Pflegeeinrichtungen werden dem Verteilungsschlüssel lediglich bis zu 2 Pflegestellen - und refinanziert und in der ambulanten Pflege gibt es keine zusätzliche Stellen.
Es bedarf auch eines Personalsofortprogramms für die ambulante Pflege, um die Arbeits-verdichtung in der häuslichen Pflege für die Pflege(fach)kräfte zu reduzieren, die Einsatzzeiten in den Haushalten zu erweitern sowie zur Erhöhung der Zufriedenheit der Versicherten und ihrer Angehörigen, zur Stärkung der Fachlichkeit und zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte beizutragen
Redaktion: Diakonie/Justine Schuchardt
Weitere Informationen zur Pflegeversicherung
Ansprechpartnerin

Erika Stempfle
Ambulante gesundheits- und sozialpflegerische Dienste, ambulante Altenhilfe
[email protected]