Pflege fragt – Politik antwortet
Was sind gute Arbeitsbedingungen in der Pflege? Wie können mehr Mitarbeitende für die Pflege gewonnen werden? Diesen und mehr Fragen von Pflegekräften haben sich Politikerinnen und Politiker gestellt.

Diese drei Pflegekräfte aus diakonischen Einrichtungen haben Politikerinnen und Politikern auf den Zahn gefühlt: Joyce Sah, Till Neumann, Nicole Zenker (v. l. n. r.).
Die Fragen und Antworten

Erich Irlstorfer
Erich Irlstorfer (CSU)
Erich Irlstorfer ist pflegepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Mehr Pflegekräfte sind meiner Meinung nach nur durch ordentliche Arbeits- und bessere finanzielle Rahmenbedingungen zu gewinnen. Das kann nur mittels einer gerechten sowie flächendeckenden tariflichen Bezahlung mit Regionalkomponente und einer Überstundenregelung gelingen. Die Überstunden sind gemäß dem Schema „Brutto für Netto“ – also ohne Abzüge – im monatlichen Rhythmus aus Steuermitteln zu bezahlen.
Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege basieren für mich auf gerechten Dienstplänen, was nur durch die Eindämmung der Leiharbeit gelingen kann. Darüber hinaus müssen Pausen- und Freizeitregelungen sowie eine korrekte Dokumentation als selbstverständlich gelten. Auch die ordentliche Bezahlung gehört für mich zu guten Arbeitsbedingungen. Deshalb plädiere ich für eine monatliche Auszahlung von Überstunden sowie für bezahlte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Viel Kraft im Tun. Viel Freude am Tun und weiterhin Vertrauen in demokratische Parteien.

Heike Baehrens
Heike Baehrens (SPD)
Heike Baehrens ist Pflegebeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion.
Pflegekräfte gewinnen wir durch gute Ausbildung, ordentliche Tarifbezahlung in allen Bereichen der Pflege und Personalschlüssel, die eine qualifizierte und dem Menschen zugewandte Pflege ermöglichen.
Pflegekräfte müssen ihre Arbeit so ausführen können, wie sie es gelernt haben und wie es den hohen Ansprüchen an eine gute Pflege entspricht. Das gelingt nur mit einer guten Personalausstattung und Führungsstruktur. Und: Arbeitgeber sollten Erfahrung und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter einbeziehen bei der Entwicklung moderner Arbeitszeitmodelle und für verlässliche Dienstplanung sorgen.
Sie haben einen der wichtigsten Berufe überhaupt. Kommen Sie gut und vor allem gesund durch diese besonders schwere Zeit!

Nicole Westig
Nicole Westig (FDP)
Nicole Westig ist pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion.
Es braucht zunächst einmal eine Strategie, die kurz- und langfristige Lösungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen enthält. Konsequenter Bürokratieabbau und Digitalisierung könnten Pflegenden schnell dringend notwendige Entlastung verschaffen, dies wurde jedoch bislang von der Regierung verschlafen. Insgesamt kommen die diversen Initiativen der Regierung nicht oder nur sehr langsam an – auch deshalb, weil sie so wenig mit der Praxis abgestimmt sind. Daneben brauchen wir eine moderne Pflegeausbildung, die technologisch anspruchsvoll ist und Auszubildende als Lernende wertschätzt, anstatt sie wie Hilfskräfte einzusetzen, sowie zukunftsweisende Arbeitsmodelle, die familienfreundlich sind und gleichzeitig Karrierechancen bieten. Dann gewinnt dieser vielseitige und anspruchsvolle Beruf auch mehr Attraktivität für diejenigen, die ihn ausüben, und die, die ihn künftig erlernen wollen.
Gute Arbeitsbedingungen bedeuten für mich, dass die Pflegekräfte möglichst viel Zeit mit dem wesentlichen Aspekt ihrer Arbeit verbringen können: der Zusammenarbeit mit den Patienten. Dies sieht in den verschiedenen Bereichen sicher sehr unterschiedlich aus, aber allen ist gemein, dass zu viel administrative Dinge und fachfremde Tätigkeiten anfallen. Darum brauchen wir eine Neuordnung der Tätigkeiten in einem guten Qualifikationsmix. Zusätzliche Entlastung durch Digitalisierung, aber auch Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken, sollten als flankierende Maßnahmen schnell auf den Weg gebracht werden. Am Ende werden aber nur mehr Pflegekräfte und damit eine ausreichende Schichtbesetzung die Arbeitsbedingungen nachhaltig entlasten. Neben der Steigerung der Ausbildungsplätze ist darum die Umsetzung des Personalbemessungsinstruments so wichtig.
Corona hat eine dramatische Situation noch einmal spürbar verschärft, in erster Linie wünsche ich den Pflegenden daher, dass sie selbst gesund bleiben und sich die Lage hier mit der Zahl der Geimpften ein wenig entspannt. Damit sind die Probleme aber natürlich nicht gelöst. Darum wünsche ich mir für alle Pflegenden, dass die Selbstverwaltung gestärkt wird – es wird Zeit, dass die Pflege endlich ihren Platz in den Gremien bekommt und so selbst mitgestalten kann. Das hilft nicht nur den Pflegenden, sondern auch den Patientinnen und Patienten.

Pia Zimmermann
Pia Zimmermann (Linke)
Pia Zimmermann ist Sprecherin für Pflegepolitik der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.
Mit höheren Löhnen, guten Arbeitsbedingungen und einem verbindlichen Personalschlüssel können Pflegekräfte, die den anstrengenden Beruf hinter sich lassen mussten, hoffentlich dazu bewegt werden, zurückzukehren. Außerdem wird der Pflegeberuf so auch für Berufsanfänger*innen attraktiv.
Gute Arbeitsbedingungen erlauben es, in der Pflege so zu arbeiten, wie die Pflegekräfte es gelernt haben: professionell, ohne Hetze, zugewandt, im Austausch mit Kolleg*innen, mit der pflegerischen Indikation als Richtschnur und nicht, um die Rendite der Betreiber zu mehren. Und gute Arbeitsbedingungen erlauben auch, von der Arbeit abzuschalten, mit verbindlichen, ausgewogenen Dienstplänen und einem planbaren Frei.
Zum Internationalen Tag der Pflege wünsche ich den Pflegekräften viel Kraft und gute Nerven, denn sie werden sie weiterhin brauchen. Und ich verspreche ihnen, dass ich weiterhin an ihrer Seite kraftvoll für die notwendigen Verbesserungen in der Pflege kämpfe.

Kordula Schulz-Asche
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Grüne)
Kordula Schulz-Asche ist Sprecherin für Pflegepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Durch attraktivere Bedingungen. Um die Arbeitsbelastung jeder Pflegekraft zu senken, müssen angemessene Personalschlüssel umgesetzt werden. Professionelle Pflege muss fair bezahlt werden. Vor allem in der Altenpflege sind die Unterschiede gravierend. Es muss eine Tarifbindung her. Außerdem brauchen wir eine Reform der Pflegeversicherung, damit bessere Pflegelöhne nicht zu höheren Eigenanteilen der Menschen mit Pflegebedarf führen. Pflegefachpersonen müssen ihren Beruf selbstbestimmt ausüben dürfen. Das beinhaltet beispielsweise die Ausübung von Heilkunde im Rahmen der jeweiligen Qualifikation. Durch größere Eigenverantwortung werden auch berufliche Karrierewege in der Pflegepraxis beispielsweise als Pflegefachexpert*in (APN) möglich. Pflege braucht eine starke, berufsständische Aufstellung mit einem festen Platz in allen entscheidenden Gremien des Gesundheitswesens. Diese Rolle kann eine Bundespflegekammer erfüllen.
Pflege ist nicht die rasche Durchführung bloßer Verrichtungen. Menschen mit Pflegebedarf befinden sich oft in Krisensituationen. Ein gesundheitlicher Notfall hat sie in ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung geführt. Existenzielle Fragen gehen einem da durch den Kopf. Aus meiner Berufserfahrung als Krankenschwester weiß ich, dass die professionelle Begleitung, das Nehmen von Sorgen und Ängsten, wesentliche Aspekte guter Pflege sind. Auch Beratung, Anleitung und Training kosten Zeit. Gute Pflege braucht diese Zeit in Form von besseren Personalschlüsseln. In vielen Bereichen könnten Arbeitszeiten bedarfsgerechter gestaltet werden, so dass sie zur Lebensrealität beispielsweise junger Familien passen und vor allem Frauen sich nicht zwischen Beruf oder Familie entscheiden müssen. Warum findet Körperpflege noch immer fast ausschließlich im arbeitsreichen Frühdienst statt? Und warum beginnt der immer noch 06.30 Uhr?
Gute Pflege braucht eine gute Personalausstattung. Nur wo genug Pflegekräfte arbeiten, hat die einzelne Pflegekraft auch genug Zeit für Menschen, die Pflege brauchen. Wir machen uns deshalb für eine Personalbemessung stark, die den Personalbedarf am Pflegebedarf ausrichtet. Damit gibt es so viele Pflegekräfte, wie es für eine gute Pflege braucht.
Am 12. Mai – dem Internationalen Tag der Pflegenden – feiern wir den unschätzbaren Beitrag, den Pflegekräfte weltweit und tagtäglich für uns alle leisten. Dieser Tag gehört ihnen. Wir alle sollten hinhören, was uns die 1,7 Millionen Pflegekräfte in Deutschland zu sagen haben. Die größte Berufsgruppe unseres Gesundheitswesens wird auch in der Corona-Pandemie am stärksten beansprucht. Wir alle schulden den Pflegenden nicht nur unseren Dank, sondern auch endlich bessere Bedingungen. Sie leisten Großartiges. Ich wünsche den Pflegenden, dass sie gerade in der Pandemie ihre eigene Gesundheit und Belastungsgrenzen nicht aus dem Blick verlieren. Ich wünsche den Pflegekräften, dass ihnen die Bündelung ihrer Stimmen in engagierten berufspolitischen Organisationen gelingt und sie sich somit stark und geschlossen gegenüber anderen Interessengruppen in der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens behaupten können.