Themenschwerpunkt

Pflege­versicherung

© Diakonie/Annette Schrader

Suchen Sie Hilfe und Rat zum Thema Pflege zu Hause? Hier geht es zu unseren Angeboten rund um die Pflege. Diese Seite richtet sich an Menschen, die sich für Hintergrundinformationen über die Pflegeversicherungen interessieren und die politischen Forderungen der Diakonie.

Kosten für Pflegeversicherung explodieren

Rund 4,8 Millionen Menschen in Deutschland sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums pflegebedürftig. Rund 3,9 Millionen werden zuhause betreut. Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst.

Der starke Anstieg der pflegebedürftigen Menschen ist auch auf das dritte Pflegestärkungsgesetz aus dem Jahr 2017 und den erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff  zurückzuführen.

Zum Jahresende 2022 verzeichnete die Pflegeversicherung ein Minus von rund 2,2 Milliarden Euro, zudem lagen die Liquiditätsreserven mit 1,2 Milliarden Euro unter der gesetzlich vorgesehenen Höhe. Das Jahr 2021 hat die soziale Pflegeversicherung bereits mit einem Defizit von 1,35 Milliarden Euro abgeschlossen. Die Einnahmen lagen 2021 bei 52,50 Milliarden Euro, 2020 lagen sie bei 50,62 Milliarden Euro. Die Ausgaben stiegen von 49,08 Milliarden Euro auf 53,85 Milliarden Euro. Die Pflegeversicherung verfügte zum Jahresende über einen Mittelbestand von 6,9 Milliarden Euro.

Das Defizit ist vor allem durch die pandemiebedingten Ausgaben für den Schutz von Pflegebedürftigen, Beschäftigten in der Pflege sowie von pflegenden Angehörigen (Pflegeschutzschirm, Testkosten etc.) bedingt sowie der Zunahme der Anzahl an pflegebedürftigen Menschen. Die Pflegeversicherung ist ein Teilleistungssystem, d.h. die pflegebedürftigen Menschen bekommen einen Zuschuss von der Pflegeversicherung. Mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen erhöhen die Pflegekosten. Diese Kosten dürfen jedoch nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen gehen. Es darf nicht sein, dass jede Verbesserung der Personalsituation in der Pflege 1:1 von den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen übernommen werden muss.

Diakonie schlägt Einführung einer Pflegevollversicherung mit Eigenbeteiligung vor

Die Diakonie plädiert dafür, die Pflegeversicherung auf ein nachhaltig finanziertes Pflegevollversicherungsmodell umzustellen. Deshalb hat sie ein Konzept für eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung erarbeitet. 

Pflegebedürftigkeit muss für die Versicherten der Pflegeversicherung bezahlbar bleiben. Nur wenn für die Versicherten der Eigenanteil bei der Pflegeversicherung berechenbar bleibt, können sie planen und vorsorgen, sei es durch Ansparen oder durch den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung. Ohne eine Änderung des Gesetzes werden mehr pflegebedürftige Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sein.

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland

„Aus unserer Sicht ist eine zügige Reform der Pflegeversicherung dringend notwendig, damit für die Versicherten die Kosten der Pflegebedürftigkeit berechenbarer werden.”

Nachgefragt

Den Vorschlag einer grundlegenden Reform der Pflegeversicherung erläutert Erika Stempfle, Pflegeexpertin bei der Diakonie Deutschland.

Erika Stempfle: Die Leistungen der Pflegeversicherung sollten von Anfang an nur ergänzenden Charakter haben. Die Pflegeversicherung ist als Teilleistungssystem konzipiert und dient einer Entlastung der Versicherten von den pflegebedingten Kosten. Reichen eigenes Einkommen und Vermögen der Versicherten nicht aus, dann erhalten diese ergänzende Leistungen der Sozialhilfe. Seit Einführung der Pflegeversicherung erfolgte keine regelhafte Dynamisierung und/oder Erhöhung der Leistungen. Jede Qualitätsverbesserung, jede Erhöhung des Personalschlüssels oder jede Vergütungssteigerung muss deshalb von den Versicherten selbst getragen werden.

Dazu kommen die Auswirkungen demografischer und sozialer Veränderungen: Der Anteil hochbetagter und pflegebedürftiger Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt zu, und es gibt mehr Singlehaushalte. Gleichzeitig ändern sich Rollenbilder. Von Berufstätigen wird Mobilität erwartet. Das Renteneinstiegsalter steigt.  Dies alles führt dazu, dass Familien an ihre Grenzen stoßen.

Stempfle: Die bisherige Pflegeversicherung sollte in eine Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung überführt werden. Dies bedeutet: wer pflegebedürftig ist, hat dann noch eine begrenzte Eigenbeteiligung zu bezahlen, und alle notwendigen Leistungen, die sich auf die Pflege der Person beziehen, werden von der Solidargemeinschaft der Versicherten übernommen.

Damit wird das Risiko der Pflegebedürftigkeit über die Sozialversicherung abgesichert. Für die begrenzte Eigenbeteiligung kann privat vorgesorgt werden.

Die Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung bezieht sich nur auf die pflegebedingten Aufwendungen und nicht auf Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten. Diese sind weiterhin vom Pflegebedürftigen zu tragen.

Stempfle: Eine Ausweitung der Finanzbasis ist in jedem Fall nötig, sowohl im bisherigen System als auch bei einem Wechsel zu dem Pflegevollversicherungsmodell mit begrenztem Eigenanteil. Mittel- und langfristig ist eine nachhaltige Finanzierungsgrundlage nötig.

Höhere Einnahmen der Pflegeversicherung können aus mehreren Quellen generiert  werden. Zum Beispiel können neben dem Arbeitsentgelt andere Einkommen wie Kapital- und Mieterträge bei der Beitragsbemessung herangezogen werden. Außerdem könnten die Beitragssätze der Pflegeversicherung erhöht und die Beitragsbemessungsgrenze auf das höhere Niveau der Rentenversicherung angehoben werden. Darüber hinaus sind Steuermittel erforderlich für die Alterssicherung der pflegenden Angehörigen, Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige sowie die allgemeine finanzielle Unterstützung der pflegebedürftigen Menschen

Für diesen Systemwechsel brauchen wir eine öffentliche Diskussion. Wir müssen klären, welches Leistungsniveau mit der Pflegeversicherung erreicht werden soll und was unter notwendigen Leistungen in der Langzeitpflege zu verstehen ist.

Moderne Pflege: Beispiele aus unserer Arbeit

  • Ich suche Hilfe

    Ratgeber: Pflege zu Hause

    Sie möchten zu Hause gepflegt werden? Hier erfahren Sie, welche Leistungen Ihnen dann aus der Pflegeversicherung zustehen.

    © Diakonie/Francesco Ciccolella
  • Interview

    Markthalle und Demenz-WG

    Das klassische Pflegeheim ist von gestern. Karin Stiebler von der Evangelischen Heimstiftung in Baden Württemberg erklärt, wie man heute baut.

    © Diakonie/Markus Heffner
  • Pflege

    CARE-Paket für Angehörige

    Mit Information und Entlastung unterstützen Pflegebotschafter des Diakonischen Werkes Eschwege/Witzenhausen pflegende Angehörige.

    © Diakonie/Daniel Muff

Ansprechpartnerin

© Diakonie/Stephan Röger

Erika Stempfle

Ambulante gesundheits- und sozialpflegerische Dienste, ambulante Altenhilfe

030 65211-1672

[email protected]