Themenschwerpunkt

Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere

© Diakonie/Francesco Ciccolella

Menschen ohne Papiere haben de facto keinen Zugang zum Gesundheitssystem

Jeder Mensch hat in Deutschland ein Recht auf Gesundheitsversorgung und Hilfe im Notfall. In der Praxis sieht das für Menschen ohne Papiere jedoch ganz anders aus: Sie haben de facto keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Werden sie krank, haben sie große Schwierigkeiten, angemessen medizinisch behandelt zu werden: Nehmen sie medizinische Hilfe in Anspruch, droht ihnen die Meldung an die Ausländerbehörde - und damit die Abschiebung. Nicht einmal im medizinischen Notfall ist ihre Behandlung gesichert.

Jeden Menschen medizinisch gut versorgen

Jeder Mensch in Deutschland muss gesundheitlich gut versorgt werden - und das unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Die Diakonie setzt sich zum Beispiel dafür ein, die gesetzliche Übermittlungspflicht im Gesundheitswesen abzuschaffen und die Notfallbehandlung im Krankenhaus sicher zu finanzieren. Ziel ist, dass jeder Mensch ungehindert Zugang zum Gesundheitssystem erhält.

Bundesarbeitsgruppe (BAG) Gesundheit/Illegalität

Die Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität ist ein Zusammenschluss von über hundert Organisationen und Einzelpersonen aus der medizinischen Praxis, aus dem Gesundheitswesen, aus Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Wissenschaft, Kommunen und nichtstaatlichen Organisationen. Die Bundesarbeitsgruppe setzt sich für einen ungehinderten Zugang zur gesundheitlichen Versorgung unabhängig vom Aufenthaltsstatus ein. Die Koordination der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität liegt derzeit bei der Diakonie Deutschland.

Kontakt: [email protected]

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland

„Menschen ohne Papiere gehen nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus, weil sie Angst haben, abgeschoben zu werden. Das darf nicht sein. Jeder Mensch in Deutschland muss sich darauf verlassen können, medizinisch gut versorgt zu werden – und das nicht nur im Notfall.”

Nachgefragt

Menschen ohne Papiere haben de facto in Deutschland keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Warum das so ist und was sich dringend ändern muss, erklärt Prof. Dr. Anja Dieterich, langjährige Koordinatorin der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität bei der Diakonie Deutschland.

Prof. Dr. Anja Dieterich: Für Menschen ohne Papiere ist der Anspruch auf Gesundheitsversorgung eingeschränkt auf akute Erkrankungen - dies allein ist diskriminierend. In der Praxis funktioniert nicht einmal das: Menschen ohne Papiere müssen erst die Kostenübernahme bei der Sozialbehörde beantragen, um in einer Arztpraxis regulär behandelt zu werden. Das Problem: Sozialämter müssen Menschen mit irregulärem Aufenthaltsstatus der Ausländerbehörde melden - damit droht diesen letztlich die Abschiebung. Aus Angst meiden Menschen ohne Papiere häufig den regulären Gang zum Arzt.

Dieterich: Es gibt zwei zentrale Probleme: Erstens können die Menschen nicht sicher sein, der Ausländerbehörde nicht gemeldet zu werden, wenn sie im Notfall ins Krankenhaus gehen. Und zweitens wird eine sofortige medizinische Behandlung teilweise verwehrt, weil die Kosten nicht sicher gedeckt sind: Das Sozialamt zahlt nur, wenn nachgewiesen ist, dass es sich um einen Notfall handelt und die Patienten bedürftig sind. Das ist bei Menschen ohne Papiere schwierig. Die unsichere Kostendeckung wirkt sich aus auf die Möglichkeit und Bereitschaft der Krankenhäuser, Menschen ohne Papiere zu versorgen.

Dieterich: Die gesetzliche Übermittlungspflicht im Gesundheitswesen muss abgeschafft werden. Außerdem muss sichergestellt sein, dass Krankenhäuser die Kosten der Behandlung von Menschen ohne Papiere erstattet bekommen - etwa durch eine Sockelfinanzierung von Krankenhäusern für solche humanitäre Arbeit oder indem die Kosten für Nichtversicherte über Steuern finanziert werden. Auch die Länder sind gefordert: Zum Beispiel, indem sie die kommunalen Sozialbehörden stärker anhalten, den verlängerten Geheimnisschutz einzuhalten und praxistaugliche Formulare für die Kostenerstattung vorgeben.

Redaktion: Diakonie/Sarah Spitzer

Krank und ohne Papiere: Beispiele aus der Praxis

  • Fallbeispiel

    Krank und ohne Papiere

    Frau Maria C., 62 Jahre, aus Venezuela, seit 2 Jahren in Deutschland, leidet seit ihrer Kindheit an Epilepsie. Sie erzählt, wie schwierig es für sie ist, ohne Papiere in Deutschland medizinisch versorgt zu werden.

    © Diakonie/Francesco Ciccolella
  • Fallbeispiel

    Krank und ohne Papiere

    Frau Adriana S., 55 Jahre, aus Chile, lebt seit 17 Jahren in Deutschland. Weil sie keine Papiere besitzt, geht sie seit Jahren zu einer Anlaufstelle für Menschen, die nicht krankenversichert sind. Ihre Geschichte.

    © Diakonie/Francesco Ciccolella

Ansprechpartnerin und Ansprechpartner

© Hermann Bredehorst

Dr. Maike Grube

Gesundheitliche Versorgung

030 65211-1455

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