"Dann wird man zum Feind"
- Kampagne UNERHÖRT!
- Corona
Als in der Coronakrise Klopapier und Papiertaschentücher knapp wurden, haben viele Kundinnen und Kunden nur noch an sich gedacht, berichtet DM Mitarbeiterin Melanie Waldvogel. Das führte zu Konflikten. Eine Belastung für sie und ihr Team. Hören Sie ihre Geschichte!
Diese Geschichte ist Teil der Kampagne UNERHÖRT! Nicht alles, was erzählt wird, entspricht unserem Menschenbild oder den Positionen der Diakonie. Darüber müssen wir reden. Zuhören bedeutet nicht automatisch Zustimmung.
Zuhören statt verurteilen
Mit "UNERHÖRT!" wirbt die Diakonie Deutschland für eine offene Gesellschaft: Viele Menschen haben heute das Gefühl, nicht gehört zu werden. Sie fühlen sich an den Rand gedrängt in einer immer unübersichtlicheren Welt, in der das Tempo steigt und Gerechtigkeit auf der Strecke zu bleiben droht.
Jede Lebensgeschichte hat ein Recht darauf, gehört zu werden – auch wenn sie Widerspruch herausfordert. Es lohnt sich zum Beispiel, sehr genau hinzuhören, warum sich Menschen von der offenen Gesellschaft distanzieren. Auch sie sind Teil unserer freien und offenen Gesellschaft und können sie mitgestalten, für sie eintreten. Wir sind überzeugt: Zuhören und Streiten hilft hier weiter, und weder Zuhören noch Streiten ist einfach.
Die Kampagne will wachrütteln und zugleich aufzeigen, dass die Diakonie zuhört, Lösungen bereithält und eintritt für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Die Diakonie will diese Diskussion anstoßen und führen als Plattform für einen Diskurs rund um soziale Teilhabe.
- zur Kampagne UNERHÖRT
Melanie Waldvogels Geschichte zum Nachlesen
Mein Name ist Melanie Waldvogel. Ich lebe in Baiersbronn im Schwarzwald, bin 28 Jahre alt und bin Filialleiterin im DM Drogeriemarkt in Baiersbronn.
Wir hatten ja in den Medien schon von dem Corona Virus erfahren. In der Filiale in Baiersbronn kam das dann urplötzlich von einem Tag auf den anderen, dass da ein enormes Kundenaufkommen war und die Hamstereinkäufe begonnen haben. Von heute auf morgen waren unsere Regale einfach leer.
Konflikte gab es vor allem, als nur noch begrenzte Mengen pro Kunde festgelegt wurden. Was mich tatsächlich geschockt hat, war, dass es in dieser Ausnahmesituation nur um einen selber geht. Dass man zum Feind wird - die Kunden untereinander, aber auch uns gegenüber.
Wir sind jeden Tag da, leisten alles, und wollen, dass jeder etwas davon hat. Aber viele sehen in erster Linie nur sich. Hauptsache Ich ich ich ich ich. Das war schwer zu klären, dass auch andere etwas bekommen müssen.
Die größte Herausforderung war, dass wir unsere Regale wieder gefüllt bekommen. Statt um 8 Uhr haben wir erst um 10 aufgemacht. Teilweise haben wir von 6 bis 10 Uhr morgens Ware verräumt, so dass wir vier Stunden ohne Kunden hatten und haben dann nach Ladenschließung um 19 Uhr oft bis 21 Uhr nachgelegt, damit die Kunden am nächsten Tag alles zur Verfügung hatten.
Bei jedem in unserem Team war eine gewisse Angst zu spüren um die eigene Gesundheit und um die Angehörigen. Dann kommt die körperliche und nervliche Belastung dazu.
Aufs Team bezogen hat uns das Ganze enger zusammengeschweißt. Jeder hat für jeden getan, was nur ging.
Und was mich auch gefreut hat, dass sich einige Kunden bedanken und uns sagen: schön, dass Sie da sind. Eine Kundin hat uns Kekse und Schokolade geschenkt. Das hat uns alle so gefreut.
Alltagshelden sind für mich mehr das Pflegepersonal im Krankenhaus oder Pflegeheim oder die Ärzte. Die stehen für mich ganz oben. Aber es ist auch nicht selbstverständlich, was wir die letzten Tage geleistet haben. Von daher gehören wir auch zu den Alltagshelden.
Sprecherin: Katja Pätzold
Interview und Redaktion : Diakonie/Justine Schuchardt