Mohamad (21): "Hummus isst man nicht mit dem Löffel"

24. Januar 2018
  • Kampagne UNERHÖRT!
  • Flucht und Migration

Mohamad wartet auf einen Studienplatz in Maschinenbauingenieurwesen. Währenddessen macht er für den Verein querstadtein Stadtführungen unter dem Motto "Geflüchtete zeigen ihr Berlin". Hören Sie seine Geschichte!

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Zuhören statt verurteilen!

Diese Geschichte ist Teil der Kampagne UNERHÖRT! Damit wirbt die Diakonie Deutschland für eine offene Gesellschaft: Viele Menschen haben heute das Gefühl, nicht gehört zu werden. Sie fühlen sich an den Rand gedrängt in einer immer unübersichtlicheren Welt, in der das Tempo steigt und Gerechtigkeit auf der Strecke zu bleiben droht. Doch jede Lebensgeschichte hat ein Recht darauf, gehört zu werden.

Manche Geschichte fordert Widerspruch heraus. Zuhören bedeutet nicht automatisch Zustimmung. Und nicht alles, was erzählt wird, entspricht unserem Menschenbild oder den Positionen der Diakonie. Darüber müssen wir reden - denn häufig steckt hinter einer Geschichte eine existenzielle Notlage.

Die Kampagne, die von 2018 bis 2020 laufen soll, will wachrütteln und zugleich aufzeigen, dass die Diakonie zuhört, Lösungen bereithält und eintritt für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Die Diakonie will diese Diskussion anstoßen und führen, sie will zur Plattform für einen Diskurs rund um soziale Teilhabe werden.

Mohamads Geschichte zum Nachlesen

Ich bin Mohamad, ich bin Kurde aus Syrien, ich bin 21 Jahre alt. Und ich bin seit zwei Jahren in Deutschland. Ich denke nicht über meine Flucht nach. Man sagt: „Du brauchst einen Psychologen, weil du dieses schwierige Erlebnis erlebt hast.“ Das Schlauchbot war so, dass die in der Mitte gesessen haben, bis zum Hals im Wasser waren. Die Jugendlichen waren als letzte eingestiegen, weil sie das Boot ins Wasser geschoben hatten. Ich habe hier gesessen, das Wasser ging mir bis zum Knie. Es war sehr gefährlich. Wir haben kein Licht mehr gesehen, nur Wasser. Es war drei Uhr nachts. Man weiß nicht, was passieren wird. Den ganzen Tag hatten wir nicht geschlafen. Ich weiß nicht, wie man in dieser Situation schlafen kann, aber ich bin eingeschlafen. Aber ich bin aufgewacht, als eine Stimme sagte: „Es gibt Steine unter dem Schlauchboot.“ Wir waren auf einer griechischen Insel. Es ist eigentlich sehr traurig, aber es ist ganz normal für mich, ich denke nicht darüber nach, weil nicht nur ich das erlebt habe, sondern Millionen von Menschen.

Und ich bin gern hier. In Berlin fühlt man sich zu Hause. Wonach man auch sucht, in Berlin findet man es. Ich bin auch in einer kurdischen Tanzgruppe. Tanzen bedeutet für Kurden nicht nur ein Hobby, sondern es ist etwas sehr Traditionelles. Die Sonnenallee bedeutet für mich viel, denn wir nennen sie die „Arabische Straße“, weil hier die meisten arabischen Restaurants, Friseure und Geschäfte sind. Essen, Lebensmittel… Wenn man neu in einem Land ist, gibt es auch andere Essgewohnheiten. Zum Beispiel: Wie isst man Hummus? Als ich neu in Deutschland war, habe ich Leute gesehen, die Hummus mit dem Löffel gegessen haben. Als ich das sah, tat es mir weh! Also bitte! Mit dem Brot! Es ist am leckersten mit dem Brot!

Also ich habe Deutsche gesehen, die Hummus falsch essen, aber auch ich habe etwas falsch gegessen. Ich habe gekochte Kartoffeln gesehen. Wir haben auch gekochte Kartoffeln, aber nicht so alleine auf dem Tisch, entweder im Hauptgericht oder im Salat. Ich habe sie einfach genommen und gegessen, aber da kam meine Tante und hat gesagt: „Was machst du da? Du musst Soße nehmen!“

Viele sagen mir: „Willst du hierbleiben oder zurück in die Heimat gehen?“ Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich denke, ich habe die Sprache gelernt, bald werde ich studieren, vielleicht bekomme ich einen guten Arbeitsplatz. Warum soll ich diese Gelegenheit nicht ergreifen und alles aufgeben und zurückgehen? Aber andererseits habe ich auch meine Familie da und meine Freunde und unsere Wohnung vermisse ich natürlich sehr. Und das ist, was mich traurig macht. Ein Freund von mir hat mir etwas gesagt, das mir gut gefallen hat: Vielleicht lerne ich ein Mädchen aus Amerika kennen und gehe nach Amerika und bleibe nicht in Deutschland. Das Leben ist voller Überraschungen, besonders unseres!

Audio und Text: Diakonie/Maja Schäfer