Martin Löw pflegt schwerkranke Menschen und nimmt sich viel Zeit
- Kampagne UNERHÖRT!
- Hospiz- und Palliativversorgung
Martin Löw ist Pflegedienstleiter der Palliativstation des Diakonieklinikums Stuttgart. Sein Glaube hilft ihm bei der erfüllenden, aber oftmals schweren Arbeit. Von Krankenkassen wünscht er sich mehr Anerkennung. Hören Sie seine Geschichte!
Zuhören statt verurteilen!
Diese Geschichte ist Teil der Kampagne UNERHÖRT! Damit wirbt die Diakonie Deutschland für eine offene Gesellschaft: Viele Menschen haben heute das Gefühl, nicht gehört zu werden. Sie fühlen sich an den Rand gedrängt in einer immer unübersichtlicheren Welt, in der das Tempo steigt und Gerechtigkeit auf der Strecke zu bleiben droht. Doch jede Lebensgeschichte hat ein Recht darauf, gehört zu werden.
Andere Menschen wiederum engagieren sich mit viel Zeit und Leidenschaft in ihrer Familie, ihrem Beruf oder ehrenamtlich und sind dabei oft am Limit. Diese Alltagshelden tragen erheblich zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei, stehen jedoch selten im Licht der Öffentlichkeit. Auch sie kommen in unserer Kampagne zu Wort, damit sie mehr Beachtung finden.
Manche Geschichte fordert Widerspruch heraus. Zuhören bedeutet nicht automatisch Zustimmung. Und nicht alles, was erzählt wird, entspricht unserem Menschenbild oder den Positionen der Diakonie. Darüber müssen wir reden - denn häufig steckt hinter einer Geschichte eine existenzielle Notlage.
Die Kampagne, die von 2018 bis 2020 laufen soll, will wachrütteln und zugleich aufzeigen, dass die Diakonie zuhört, Lösungen bereithält und eintritt für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Die Diakonie will diese Diskussion anstoßen und führen, sie will zur Plattform für einen Diskurs rund um soziale Teilhabe werden.
- Kampagne UNERHÖRT!
Martin Löws Geschichte zum Nachlesen
Mein Name ist Martin Löw. Ich arbeite auf der Palliativstation im Diakonieklinikum Stuttgart. Ich bin zum einen als Krankenpfleger hier. Ich bin aber auch diakonischer Bruder im Mutterhaus. Hier bei uns sind alle Patienten schwer krank und vereint eines: sie haben eine Krankheit, die nicht mehr heilbar ist.
Wir schauen genau an, was können wir tun, um die Lebensqualität zu steigern. Das kann für jeden Patienten was anderes sein. Für den einen Patient ist es vielleicht Zeit, die er noch gewinnt. Für jemand anderes ist es einfach Symptomfreiheit, keine Schmerzen zu haben. Linderung steht bei uns im Vordergrund, aber wir machen auch Therapien.
Nicht jeder Patient redet immer und manchmal folgt aus einem kurzen „wie geht’s?“ ein Gespräch, das sehr lange dauern kann, und dann ist es für mich der Ansporn, dieses Gespräch nicht zu beenden.
Das war schon ein bisschen länger her, das war an einem Freitag, wo ich nach Hause gegangen bin und dann noch mit einem Patienten, dem es sehr schlecht ging, der aber noch selbständig war, er konnte sich noch versorgen, aber es war klar, er hat nicht mehr lange zu leben, habe ich mich verabschiedet, ich hatte davor schon viele Gespräche mit ihm, und wir haben uns beide verabschiedet mit den Worten „bis Montag“. Als sich unsere Blicke aber getroffen haben, war beiden klar, wir werden uns am Montag nicht wiedersehen. Und diese kurze Berührung und diese Dankbarkeit, die man da gespürt hat auch für die Zeit, wo wir ihn begleitet haben, das sind die Momente, wo ich sage, ja, es hört sich vielleicht komisch an, aber ich bin mir sicher, das, was wir für die Patienten tun, geben uns die Patienten auch sehr häufig wieder zurück.
Also es ist ein sehr schöner Beruf allgemein. Das Schöne hier am Diakonieklinikum ist, dass ich ein stückweit die Tradition der Diakonissen, sich um die Menschen zu kümmern, die es am nötigsten haben, weiterführen kann.
Also in der Regel arbeite ich von sieben bis sechzehn Uhr. Circa fünf Stunden der Zeit, die ich hier verbringe, würde ich sagen, ist ehrenamtlich. Es gibt immer wieder die Momente, wo ich merke, dass es mir zu viel wird, wo ich froh bin, dass ich einen Glauben habe. Ich weiß für mich, ich bin ein gläubiger Mensch, ich kann da auch meine Kraft ziehen.
Aber was mir häufig die Arbeit sehr schwer macht, ist, wenn wir im Nachgang uns rechtfertigen müssen vor dem Medizinischen Dienst zum Beispiel der Krankenkassen, warum ein Patient ein, zwei, drei Tage länger hier im Krankenhaus war. Das Dasein und Gespräche das wird nicht genügend gewürdigt von den Krankenkassen, ist nicht darstellbar. Das macht einen dann oft auch ein bisschen wütend, dass man sich da sehr engagiert, und dann wird es nicht honoriert.
Text und Audio: Diakonie/Justine Schuchardt