Cord Kelle: "Andere Leute gehen Golf spielen, ich koche für Obdachlose"

22. Mai 2018
  • Kampagne UNERHÖRT!
  • Wohnungslosigkeit
  • Armut und Arbeit
  • Langzeitarbeitslosigkeit
  • Freiwilliges Engagement
  • Engagement und Hilfe

Der Koch und Restaurant-Besitzer Cord Kelle aus Langenhagen kocht seit mehr als sieben Jahren ehrenamtlich für die ökumenische Essenausgabe der Diakonie in Hannover.
Hören Sie seine Geschichte!

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Zuhören statt verurteilen

Diese Geschichte ist Teil der Kampagne UNERHÖRT! Damit wirbt die Diakonie Deutschland für eine offene Gesellschaft: Viele Menschen haben heute das Gefühl, nicht gehört zu werden. Sie fühlen sich an den Rand gedrängt in einer immer unübersichtlicheren Welt, in der das Tempo steigt und Gerechtigkeit auf der Strecke zu bleiben droht. Doch jede Lebensgeschichte hat ein Recht darauf, gehört zu werden.

Andere Menschen wiederum engagieren sich mit viel Zeit und Leidenschaft in ihrer Familie, ihrem Beruf oder ehrenamtlich und sind dabei oft am Limit. Diese Alltagshelden tragen erheblich zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei, stehen jedoch selten im Licht der Öffentlichkeit. Auch sie kommen in unserer Kampagne zu Wort, damit sie mehr Beachtung finden.

Manche Geschichte fordert Widerspruch heraus. Zuhören bedeutet nicht automatisch Zustimmung. Und nicht alles, was erzählt wird, entspricht unserem Menschenbild oder den Positionen der Diakonie. Darüber müssen wir reden - denn häufig steckt hinter einer Geschichte eine existenzielle Notlage.

Die Kampagne, die von 2018 bis 2020 laufen soll, will wachrütteln und zugleich aufzeigen, dass die Diakonie zuhört, Lösungen bereithält und eintritt für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Die Diakonie will diese Diskussion anstoßen und führen, sie will zur Plattform für einen Diskurs rund um soziale Teilhabe werden.

Cord Kelles Geschichte zum Nachlesen

Mein Name ist Cord Kelle, ich bin 59 Jahre alt, bin gebürtiger Hannoveraner, habe vor knapp 40 Jahren den Beruf Koch erlernt, um in die Gastronomie zu gehen, und da meine Eltern und Großeltern schon einen eigenen Betrieb hatten. Mittlerweile führe ich in Langenhagen das Hotel Jägerhof, mit über 40 Mitarbeitern, und in meiner Freizeit betätige ich mich ehrenamtlich für Obdachlose, ich bereite Mahlzeiten zu, und freue mich, wenn es diesen Menschen damit etwas besser gehen kann.

Wir machen rund 9.000 Mahlzeiten. Das ist ein Volumen von 30.000 bis 35.000 Euro, die wir da verkochen, und das muss ja irgendwo her. 2013 haben wir dann den Verein KfO Hannover e.V. gegründet, Kochen für Obdachlose.

Unser Motto ist: Wir kochen, was mit Messer und Gabel gegessen wird.

Zum Beispiel habe ich heute Frikadellen gemacht mit Broccoli und einer schönen Zwiebelsauce und Kartoffeln. In 14 Tagen werde ich sicher ein Gulasch mit Nudeln machen, Currywurst-Gulasch, wie es das in der Hannover 96-Kantine gibt. Das lieben die Leute im Winter, also ich versuche, immer irgendwas Handfestes zu kochen.

Ich habe bis vor 20 Jahren auch nicht gerade tolle Zeiten gehabt. Ich war gesundheitlich sehr angeschlagen, und mir ging es auch nicht sehr gut. Ich habe durch diese ehrenamtliche Arbeit einfach ein gutes Gefühl. Es macht mir einfach Freude, es ist mir eine Herzensangelegenheit, den Menschen zu helfen.

Einer unserer Klienten hier, der sein Heim in der Straßenbahn hat, der eine Fahrkarte hat und nachts in der Straßenbahn schläft und mir stolz Schuhe gezeigt hat, die ihm aber nicht passten. Und ich dann Schuhe für ihn gekauft habe und Wintersocken, und ihm die gegeben habe,und er gar nicht fassen konnte, dass er ein paar neue Schuhe bekam. Und das Erste, was er sagte, Mensch, die sind ja nagelneu, toll, habe ich was zum Tauschen. Ich sage, von wegen "tauschen", die sollst du anziehen. Das sind denn mal so etwas spaßigere, lustigere Dinge.

Aber es sind natürlich auch ziemlich harte Sachen dabei, die man dann mitkriegt. Dass also selbst Akademiker dabei sind, die Pech in der Familie hatten, die Ehe kaputt, der Alkohol kommt, der Job ist weg, und das Geld ist weg, und man landet auf der Straße, da sind wirklich harte Sachen dabei. Und das beschäftigt einen auch sehr.

Wenn die Menschen auf der Straße sind und man geht dran vorbei, sieht, dass die da teilweise alkoholisiert stehen, viele, viele Menschen haben doch eine gewisse Verachtung für diese Leute, aber wenn man die näher kennt und weiß, warum das so ist, und wenn man denen dann auch was Gutes tut und auch sieht, wie sie reagieren, dann weiß man, dass auch diese Menschen eine gewisse Wertschätzung brauchen, und denen das auch guttut.

Man knappst es halt von der Freizeit ab, das ist dann mein Hobby. Andere Leute gehen Golf spielen, ich koche halt für Obdachlose.

Redaktion: Evangelischer Kirchenfunk Niedersachsen/Birke Schoepplenberg