Nachgefragt: Familienorientierung groß machen

23. August 2018
  • Journal

Immer mehr Fachkräfte fordern flexible Arbeitsmodelle, um Familie und Beruf gut vereinbaren zu können. In der Pilotphase zur Initiative „Evangelisches Gütesiegel Familienorientierung“ sind 14 diakonische und kirchliche Einrichtungen dabei, ihre familienorientierte Personalpolitik strategisch weiterzuentwickeln, eng begleitet von Projektleiterin Franziska Woellert.

Frau Woellert, warum sind Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der modernen Personalführung wichtig?

Die Arbeitswelt verändert sich rasant, auch in Kirche und Diakonie: Digitalisierung, Fachkräftemangel, Individualisierung von Lebensentwürfen, eine neue Kultur des Arbeitens sind da nur einige Schlagworte. Die Frage „Wer arbeitet wann, wo, was, wie, mit wem und wie lange?“ beschäftigt nicht nur Führungskräfte und Personalverantwortliche, sondern wird von jedem erwachsenen Menschen je nach Familiensituation immer wieder neu entschieden.

In Umfragen sagen neun von zehn Beschäftigten mit minderjährigen Kindern, dass Familienfreundlichkeit ihnen genauso wichtig oder sogar wichtiger sei als das Gehalt. Etwa drei Viertel wären bereit, für eine bessere Vereinbarkeit ihren Job zu wechseln. Aber auch Mitarbeitende mit pflegebedürftigen Angehörigen und selbst Menschen ohne akute familiäre Verpflichtungen achten auf die Familienorientierung potentieller Arbeitgeber.

Wie reagieren Kirche und Diakonie auf diese Veränderungen?

In der evangelischen Arbeitswelt haben Führungskräfte schon immer die familiäre Verantwortung ihrer Mitarbeitenden mitgedacht. Aber meist wurden individuelle ad-hoc-Entscheidungen getroffen, die wenigsten diakonischen und kirchlichen Einrichtungen haben Familienorientierung als Teil der Personalstrategie verstanden. Dadurch fehlte es an Transparenz und Planungssicherheit für die Beschäftigten. Und die Personalabteilungen konnten Familienorientierung nicht gezielt zur Fachkräftegewinnung einsetzen. 

Darum gibt es jetzt die gemeinsame Initiative „Evangelisches Gütesiegel Familienorientierung“ der Diakonie Deutschland und der Ev. Kirche in Deutschland (EKD) in Kooperation mit der Führungsakademie für Kirche und Diakonie (fakd). Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem diakonische und kirchliche Einrichtungen ihre familienorientierte Angebote bedarfsgerecht weiterentwickeln, nach innen transparent und nach außen sichtbar gestalten können.

Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland

„Hinter einer erfolgreichen familienorientierten Personalpolitik steht mehr als die Entwicklung und Bereitstellung einzelner Maßnahmen. Eine Kultur, die familiäres Engagement würdigt und ermöglicht, entsteht dann, wenn in Unternehmen Familienorientierung von oberster Führungsebene gefördert und selbst gelebt wird.”

Wie funktioniert das genau?

Beim „Evangelischen Gütesiegel Familienorientierung“ wird nicht eine Liste mit vorgegebenen Standardmaßnahmen abgehakt, sondern die jeweilige Situation und die Prozesse vor Ort stehen im Vordergrund. Es geht vor allem darum, die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen anzustoßen. Dadurch ist es auch kleineren und mittleren Einrichtungen möglich, das Zertifikat zu bekommen. Sie sollen sich klar zu einer familienorientierten Personalpolitik bekennen und Maßnahmen einführen, die ihren Mitarbeitenden konkret die Vereinbarkeit erleichtern.

Seit Frühjahr 2018 läuft die Pilotphase mit 14 Einrichtungen. Sie werden in gut einem Jahr alle Schritte zur Zertifizierung durchlaufen. Die nachhaltige Qualität des Gütesiegels wird durch ein externes Audit gewährleistet. Das heißt, geschulte freie Auditorinnen und Auditoren mit kirchlich-diakonischer Feldexpertise führen es durch. Die bisherigen Erfahrungen sind absolut positiv: Die Einrichtungen profitieren vom Austausch untereinander und erkennen den Wert der Familienorientierung für die Personalentwicklung. Das evangelische Verständnis von Familie als ein Ort, an dem Menschen füreinander einstehen und der daher unter dem besonderen Schutz und Segen Gottes steht, gewinnt damit für alle Beteiligten noch einmal neu an Bedeutung.

Text: Diakonie/Franziska Woellert und Maja Schäfer

Ansprechpartnerin

© Hermann Bredehorst

Annette Klede

Leitung des Diakonischen Instituts für Qualitätsentwicklung (DQE)

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