"Meine Sicht hat sich verändert"
- Journal
- Engagement und Hilfe
- FSJ und Freiwilligendienste
Im April feiert das Freiwillige Soziale Jahr sein 50-jähriges Jubiläum: In diesen fünf Jahrzehnte haben viele junge Menschen in soziale Arbeit reingeschnuppert, Erfahrungen gesammelt und sich beruflich orientiert.

Das Evangelische Geriatriezentrum zählt zu den modernsten Einrichtungen der Geriatrie in Deutschland
"Sie sind ja ein richtiger Raser geworden!", lobt Fiona Niebuhr den Senioren, den sie gerade bei der Computertherapie betreut. Per Computersimulation steuert er ein Motorrad über eine liebevoll gestaltete Landstraße, bei umfallenden Bäumen und sinkenden Bahnschranken muss er frühzeitig bremsen. Dieses PC-Programm ist eines von vielen, das die Patienten des EGZBs in Konzentration und Reaktionsfähigkeit schult. Die FSJlerinnen Fiona Niebuhr und Alina Denz dürfen die Computer-therapie jeden Morgen ganz alleine betreuen. Die Ergebnisse berichten sie am Ende ihres Dienstes den behandelnden Neuropsychologen. "Mittlerweile haben wir ein echt gutes Gefühl für den Zustand der Patienten und wissen, was für die Psychologen von Bedeutung ist. In den vergangenen Monaten haben wir viel Fachliches dazu gelernt – das liegt auch an der großen Verantwortung, die wir tragen dürfen", berichtet Niebuhr.
Lebenserfahrung der Patienten prägt
Das Evangelische Geriatriezentrum ist ein Zentrum für Altersmedizin. Behandelt werden Patienten mit ganz unterschiedlichen Erkrankungen wie Hirnverletzungen, Schlaganfällen, Demenz und Depressionen. Oberstes Ziel jeder Behandlung ist es, den älteren Menschen möglichst viel Selbstständigkeit und Lebensfreude zu erhalten.
Deswegen ist auch die Atmosphäre in den sonnendurchfluteten Gebäuden des Zentrums viel fröhlicher, als man es bei einer Klinik für Altersmedizin vielleicht erwarten würde. Einen Teil dazu tragen auch die beiden FSJlerinnen bei: Durch ihre Anwesenheit und positive Ausstrahlung schöpfen die Patienten neuen Mut. Zu ihren weiteren Aufgaben zählen unter anderem Einzelgespräche und Gedächtnistraining. Das soll nicht nur das Gedächtnis der Patienten auffrischen, sondern auch ihre Stimmung aufhellen. Im Gegenzug lernen die FSJlerinnen von den älteren Menschen: "Von den Unterhaltungen mit den Patienten habe ich viel mitgenommen und meine Sicht auf die Dinge hat sich stark verändert. Gerade die Gespräche mit schwer Kranken prägen schon ziemlich", erzählt Niebuhr.
Verantwortung übernehmen
Stefan Mix, Klinischer Neuropsychologe im EGZB, ist für die Betreuung der beiden FSJlerinnen zuständig. Für die tatkräftige Unterstützung der Freiwilligen ist er dankbar: "Bei uns absolvieren schon seit einigen Jahren junge Menschen einen freiwilligen Dienst. Unsere Erfahrungen sind sehr gut: Die FSJler verfügen in der Regel über eine hohe Sozialkompetenz und sind im Umgang mit den älteren Menschen engagiert und kreativ.
Mix sieht dank des freiwilligen Engagements positive Entwicklungen – auf Seiten der FSJler und auch auf Seiten der Patienten. "Die jungen Freiwilligen lernen im EGZB mit Menschen umzugehen und Verantwortung zu übernehmen. Sie können sich über ihren weiteren Werdegang klar werden und Fragen beantworten wie: Passt ein Medizinstudium zu mir? Oder: Ist ein pflegerischer Beruf etwas für mich? Die Patienten hingegen sind oft überrascht über das Interesse der jungen Menschen im Enkel- oder Urenkelalter und genießen den unbefangenen Kontakt zu ihnen. Wenn Fiona und Alina mit unseren Patienten sprechen oder eine Runde 'Mensch ärgere dich nicht' spielen, holen sie sie aus ihrem Krankenalltag heraus und lenken sie ab – wenn sich plötzlich nicht alles um die Erkrankung dreht, gesunden unsere Patienten wesentlich schneller."
FSJ zeigt neue Perspektiven
"Ich würde ein FSJ auf jeden Fall empfehlen", versichert Fiona Niebuhr. "Man erhält eine gute Chance, den Bereich zu erproben, für den man sich interessiert."
So hat sich durch das freiwillige Engagement der Berufswunsch der FSJlerin tatsächlich geändert: Zu Beginn des FSJs wollte Fiona Niebuhr noch Psychologin werden, jetzt möchte sie lieber Medizin studieren. "Vor meiner Zeit im EGZB hätte ich niemals erwartet, dass ich mir von Patienten eine OP-Narbe oder ein geschwollenes Bein zeigen lassen würde – mittlerweile finde ich das richtig spannend", lacht Fiona Niebuhr. Auch Alina Denz ist sichtlich zufrieden: "Obwohl wir frisch von der Schule kommen und eigentlich keine Vorkenntnisse haben, dürfen wir nah am Menschen arbeiten und lernen viel. Die Arbeit hier ist wirklich vielseitig. Und auch die FSJ-Betreuung generell ist sehr engagiert: Wir fühlen uns gut aufgehoben und werden nicht allein gelassen. Und die Seminare und Seminarfahrten sind auch echt super!" Die beiden FSJlerinnen, die sich erst bei ihrem Dienst kennen gelernt haben, sind richtig gute Freundinnen geworden und möchten den Sommer gemeinsam in Alina Denz Heimat, der Schweiz, verbringen. "Egal wie stressig es hier manchmal ist, am letzten Tag werden wir beide auf jeden Fall ganz schön traurig sein", prophezeit Fiona Niebuhr.
Text: Diakonie/Melanie Zurwonne