„Krankenpflege ist eine Kunst“ – und sie war der Sinn ihres Lebens: über Florence Nightingale, Pionierin der Krankenpflege
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Sie schuf eines der ersten Lehrbücher für Krankenschwestern und begründete die Pflegewissenschaft. Sie reformierte das Lazarettwesen und war Wegbereiterin für die Gründung des Roten Kreuzes. Die Britin Florence Nightingale revolutionierte im 19. Jahrhundert die Krankenpflege. Entscheidende Impulse erhielt sie in der Diakonissenanstalt Kaiserswerth. Ihr Geburtstag am 12. Mai wird weltweit als Tag der Pflege gefeiert. Anlässlich des 200. Jubiläums erklärte die WHO das Jahr 2020 zum „Internationalen Jahr der Pflegenden und Hebammen“. Nightingale verschaffte der Krankenpflege eine Achtung, die ihr bis heute gebührt.

Florence Nightingale, Jugendbild
Tagebucheintrag, 30.12.1850: „Mein einziger Wunsch ist zu sterben.“ Mit 30 Jahren stürzte Florence Nightingale in eine tiefe Depression. Geboren am 12. Mai 1820 als jüngste Tochter einer wohlhabenden britischen Familie war sie gefangen in gesellschaftlichen Konventionen und litt unter ihrem inhaltsleeren Leben im Müßiggang. „[...] Warum wünsche ich mir, diese Welt zu verlassen? Gott weiß, daß ich keinen Himmel danach erwarte, sondern daß Er mich dort oben an einen Ort wie Kaiserswerth setzt, wo ich meine Arbeit und meine Erlösung durch meine Arbeit finde.“
Kaiserswerth – die Diakonissenanstalt wurde 1836 durch den evangelischen Pfarrer Theodor Fliedner gegründet. Dort erhielten Diakonissen eine Ausbildung als Krankenpflegerin, Gemeindeschwester, Lehrerin oder Erzieherin. Und dort hatte Florence Nightingale einen Ort gefunden, an dem sie ihrem Leben einen Sinn geben konnte. Diesen sah sie von klein auf darin, anderen Menschen zu helfen. „Die erste Vorstellung, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnere, ist der Wunsch, kranke Menschen zu pflegen.“ Florence Nightingale war von Haus aus christlich geprägt. Sie fühlte sich von Gott berufen zu einem sinnvollen Leben im Dienste bedürftiger Menschen. Doch die Arbeit als Krankenschwester, einem schlechtangesehenen Beruf, der von unqualifiziertem Personal ausgeübt wurde? Für eine gebildete Frau guter Herkunft im 19. Jahrhundert undenkbar.
Als Autodidaktin unbeirrbar auf ihrem Weg – Diakonissenanstalt Kaiserswerth war Quelle der Inspiration
Florence Nightingale erwarb ihr Wissen in Krankenpflege daher vor allem autodidaktisch. Heimlich besorgte sie sich Literatur und nahm „an Ausbildung alles mit, was ich konnte.“ Die Jahresberichte der Diakonissenanstalt Kaiserswerth wurden für sie Quelle der Inspiration. „Wenn ich Erfrischung brauche, greife ich zu den Jahresberichten über die Diakonissenanstalt Kaiserswerth“, notierte sie am 7. Oktober 1846 in ihrem Tagebuch.
Gegen den Willen ihrer Eltern verfolgte sie unbeirrbar ihr Ziel, Krankenschwester zu werden. Das führte sie 1850 und 1851 auch nach Kaiserswerth. Dort lernte Nightingale Prinzipien guter Pflege – obwohl sie die hygienischen Zustände in Kaiserswerth als „fürchterlich“ beschrieb. „Aber der Umgangston war vorbildlich, ja geradezu bewundernswert. Und Pastor Fliedners Ansprachen an die Seminaristinnen das wirklich Beste, was ich je gehört habe.“ Es war die den Menschen zugewandte Arbeit der Diakonissen, die Florence Nightingale faszinierte und prägte. In Kaiserswerth fand sie ihre Berufung zur Krankenpflege endgültig bestätigt. Und dort erhielt sie entscheidende, insbesondere moralische Impulse für die spätere Entwicklung ihres eigenen Modells der Krankenpflege.

Die Diakonissenanstalt Kaiserswerth gab Nightingale Inspiration.
Gefeierte Nationalheldin und Pionierin der professionellen Krankenpflege
Nach ihrer Lehrzeit leitete Florence Nightingale ein Pflegeheim in England. Weltweit bekannt machte sie ihre Arbeit im Lazarett von Scutari während des Krimkriegs 1854 bis 1856. Durch ihre nächtlichen Krankenbesuche, ausgestattet mit einer Lampe, ging sie als „Lady with the Lamp“ und Nationalheldin in die Geschichte ein. Ihre Reform des britischen Lazarettwesens beeinflusste entscheidend die Rotkreuz-Idee und trug bei zur Gründung des Roten Kreuzes durch Henri Dunant im Jahr 1864.

Florence Nightingale revolutionierte die Krankenpflege im 19. Jahrhundert.
Zur Pionierin indes machte Florence Nightingale ihre Reform der Krankenpflege. Geprägt durch ihre Erfahrungen entwickelte die Britin ein eigenes, als Nightingale´sches System bezeichnetes Ausbildungsmodell und revolutionierte damit die Pflege im 19. Jahrhundert. Für Nightingale war Krankenpflege eine Kunst: „[..] und wenn sie zu einer Kunst gemacht werden soll, bedarf sie Hingabe und harte Vorbereitung..." Mit „Notes of Nursing“ veröffentlichte sie 1859 das erste von einer Frau verfasste Lehrbuch für Krankenpflege. Damit legte sie den Grundstein für die Pflegewissenschaft. 1860 eröffnete sie die Nightingale School of Nurses. Krankenpflege wurde so zu einem professionellen Lehrberuf.
Zuerst in England, dann weltweit eröffneten Krankenhäuser Pflegeschulen und folgten dem Nightingale´schen Ausbildungsmodell. Dieses war in zweifacher Hinsicht revolutionär: Zum einen setzte Florence Nightingale auf Ausbildung durch erfahrene Pflegekräfte anstelle von Ärzten. Zum anderen machte sie die bislang rein kirchliche zu einer weltlichen Ausbildung – die vom christlichen Ethos geprägt, aber nicht konfessionell ausgerichtet sein sollte. Inspiriert durch Kaiserswerth übernahm sie in ihr Pflegemodell zwar Merkmale einer diakonischen Schwesternschaft, darunter das christliche Menschenbild, hohe moralische Anforderungen und Ansprüche an Disziplin und Qualität der Ausbildung. Nightingale emanzipierte sich jedoch von der institutionellen geistlichen Führung der Krankenhäuser. Damit schuf die Britin ein völlig neues Berufsverständnis und machte Pflege im 19. Jahrhundert zu einem anerkannten qualifizierten Beruf auch für bürgerliche Frauen.
Das Wirken Florence Nightingales: Inspiration und Motivation – bis heute
Bis zu ihrem Tod im Jahr 1910 setze sie sich unermüdlich für höhere Ausbildungsstandards und die Verbesserung der Krankenpflege ein. Auch heute noch ist Florence Nightingale Vorbild und Inspiration für die Mitarbeitenden in der Krankenpflege. Das „Internationale Jahr der Pflegenden und Hebammen“ anlässlich ihres 200. Geburtstags erinnert nicht nur an das Wirken der Britin. Es erinnert auch daran, dass die Krankenpflege, der Nightingale im 19. Jahrhundert zu Anerkennung verhalf, bis heute an gesellschaftlicher Bedeutung nicht verloren hat.
Redaktion: Diakonie/Sarah Spitzer
Mehr Informationen
Bohn, Nicolette: Florence Nightingale: Nur Taten verändern die Welt, Ostfildern 2020
Bostridge, Marc: Florence Nightingale. The women and her legend, London 2008
Büttner, Annett: I have never known a happy time, except at Rome and that fortnight at Kaiserswerth - Florence Nightingales Beziehungen zu Kaiserswerth, in: Düsseldorfer Jahrbuch 90(2020), S. 17-59