Krank und ohne Papiere: Geschichte von Maria C.

4. September 2019
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Frau Maria C., 62 Jahre, aus Venezuela, seit 2 Jahren in Deutschland, leidet seit ihrer Kindheit an Epilepsie. Sie erzählt, wie schwierig es für sie ist, ohne Papiere in Deutschland medizinisch versorgt zu werden.

"Ich lebe seit zwei Jahren in Deutschland bei meinem Sohn, davor ein Jahr in Spanien bei meiner Tochter. Ich bin nicht versichert. In Spanien konnte meine Tochter eine private Versicherung für mich abschließen. In Deutschland ist das leider nicht möglich. Hier bekäme mein Sohn eine Strafe, weil ich mich ohne Papiere im Land aufhalte. In Spanien hätte ich ohne Angst vor der Meldung an die Ausländerbehörde im Krankenhaus behandelt werden können.

Seit meiner Kindheit habe ich Epilepsie mit häufigen Anfällen und wurde ärztlich behandelt. Wegen der Sturzgefahr war mir der Schulbesuch verboten.

Nach meiner Ankunft in Deutschland war mir wieder ständig übel und ich hatte Angst zu fallen, weil ich einen Drehschwindel hatte. Es war zunächst unklar, ob das auf die Epilepsie zurückzuführen war. Ein Allgemeinarzt hat einige Untersuchungen vorgenommen und netterweise zu meinem rechtlichen Schutz auf eine Dokumentation verzichtet und privat abgerechnet. Alle anderen Allgemeinärzte, die wir aufgesucht haben, hatten sich geweigert, so zu verfahren.

Dann ist mein Sohn im Internet auf die Seite der Anlaufstelle gestoßen. Wir nahmen Kontakt auf und ich konnte mich in der Sprechstunde vorstellen. Ende November hätte ich planmäßig einen Termin bei einem Neurologen gehabt. Ich erinnere mich nicht mehr selbst an den Vorfall, der mich noch vorher notfallmäßig ins Krankenhaus gebracht hat.

Mein Sohn hat mir berichtet, dass er den Eindruck hatte, dass ich mich gleich übergeben müsse. Abends sei ich im Badezimmer gestürzt. Auf dem Boden liegend habe ich gekrampft und ins Leere gestarrt. Er habe mich dann angesprochen, aber ich sei bewusstlos gewesen und habe nicht geantwortet. Er habe dann den Rettungsdienst gerufen.

Die Notrufzentrale sei nicht sonderlich kooperativ gewesen und habe die Dramatik der Situation unterschätzt. Zuerst habe nämlich meine Schwiegertochter mit dem Rettungsdienst gesprochen, die noch nicht so gut deutsch kann. Der Sanitäter habe mit ihr wie mit einem Kind gesprochen. Erst als mein Sohn den Hörer genommen und laut und klar gesagt habe, dass ich eine bekannte Epilepsie hätte, hätten sie einen Krankenwagen geschickt. Als der Rettungsdienst gekommen sei, habe ich erneut gekrampft. Die Sanitäter hätten mir ein Medikament gegeben, mich auf eine Trage geladen und in den Notfallwagen gebracht. In der Klinik habe man als allererstes nach meinem Versichertenausweis gefragt. Weil ich keinen gehabt habe, habe das Krankenhaus gewollt, dass ich ein Dokument zur Kostenübernahme ausfülle. Mein Sohn habe sich sofort mit der Anlaufstelle in Verbindung gesetzt. Als ich aufwachte, hat mir mein Sohn sofort eingeimpft, dass ich nicht meinen echten Namen nennen solle. Am Abend erhielt ich noch ein Medikament und am nächsten Tag wurde ein EEG gemacht. Als ich am nächsten Tag entlassen wurde, gaben sie mir nur Medikamente für zehn Tage mit, obwohl ich erst in 25 Tagen einen Termin beim Neurologen hatte. Netterweise gab mir eine Krankenschwester unter der Hand noch weitere Medikamente mit. Diese Medikamente hatten einige Nebenwirkungen, über die ich in der Klinik nicht aufgeklärt wurde. Erst der Neurologe erklärte mir, dass Depressionen oder Stimmungsschwankungen auftreten könnten und hat mir zusätzlich ein Antidepressivum verschrieben. Meine Situation ist schwierig, weil ich in ständiger Angst lebe, erwischt zu werden. Ich kann auch nicht nach Spanien zu meiner Tochter, da sie zwei Kinder hat und finanziell nicht für mich sorgen kann. In Deutschland habe ich kaum Anschluss zu anderen Menschen, weil ich kein Deutsch kann.

Mein Sohn versteht nicht, weshalb seine Verwandten nicht auch medizinisch behandelt werden können. Er arbeitet seit 13 Jahren in Europa - in Spanien und Deutschland - und zahlt dort auch Steuern."

Bei Frau C. kann auch ein nur kurzzeitiges Absetzen der Medikamente - z. B. da sie die Tabletten nicht rechtzeitig bekommt, weil sie keinen Zugang zum Gesundheitssystem hat - epileptische Anfälle auslösen, ist damit gefährlich und führt zu vermeidbaren Krankenhausbehandlungen.

Frau C. hat keinen Zugang zur Krankenversicherung, weil sie Angst vor der Meldung und einer Abschiebung hat. Frau C. will auf keinen Fall nach Venezuela zurückreisen. Dort herrschen instabile politische Verhältnisse und sie hätte dort keine sichere Lebensgrundlage. Beide Kinder können finanziell nicht für längere stationäre Krankenhausaufenthalte ihrer Mutter aufkommen. Die Kosten der stationären Behandlung wurden von der Anlaufstelle getragen.

Zum rechtlichen Hintergrund:

Keine Möglichkeit der Krankenversicherung für ein Elternteil

Anders als in anderen Mitgliedstaaten der EU ist es für eine erwerbstätige und krankenversicherte Person in Deutschland nicht möglich, eine freiwillige Krankenversicherung für ein Elternteil abzuschließen. Dies gilt unabhängig von dem Aufenthaltsstatus oder der Staatsbürgerschaft der Betroffenen.

Diskriminierung bei der medizinischen Nothilfe

Immer wieder erreichen Beratungsstellen Berichte über erschreckende Qualitätsunterschiede bei der Behandlung medizinischer Notfälle, je nachdem, ob die erkrankte Person über fortgeschrittene Deutschkenntnisse verfügt oder sonstige soziokulturelle Unterschiede ersichtlich sind. Dieses Problem betrifft nicht nur Menschen ohne Papiere, aber diese Gruppe steht solchen Diskriminierungen besonders schutzlos gegenüber.

Unzureichende Behandlungsmöglichkeit für chronische Erkrankungen

Der Leistungskatalog in § 4 AsylblG sieht keine Behandlung chronischer Krankheiten vor. Damit beschränkt sich ein möglicher Anspruch auf die Behandlung akuter Symptome der chronischen Erkrankung bzw. akuten Notfallsituationen.

Das Fallbeispiel von Frau Maria C. ist der Broschüre "Krank und ohne Papiere" der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität entnommen.