Fachkräftemangel – Geflüchtete sind keine Lückenbüßer
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Die Ausbildung von Geflüchteten in der Pflege wird als ein Mittel gegen den Fachkräftemangel gefeiert. Warum das nicht so einfach ist und warum die Ausbildung generell mehr gefördert werden muss, erklärt Personalentwickler Christian Zanke.

Viele ausländische Fachkräfte arbeiten in Deutschland in der Pflege
Es gibt viele Geflüchtete in Deutschland, die nach Arbeit suchen. Sind Geflüchtete die Lösung für den Fachkräftemangel in der Pflege?
Flüchtlinge sind kein Allheilmittel für den deutschen Fachkräftemangel. Eine Menschengruppe in einen emotional hochbelastenden Bereich hineinzubringen, die aufgrund ihrer Erfahrungen im Heimatland oder auf der Flucht traumatisiert sind, halte ich für sehr kritisch. Wenn jemand sich für diesen Beruf entscheidet, sollte er oder sie gute Strukturen und Förderung vorfinden – das gilt für jeden, der diesen Beruf ausüben möchte. Derzeit fehlen diese Strukturen und Förderungen.
Wenn Geflüchtete Interesse an einem Beruf in der Pflege haben, wie sollten die Zugangsmöglichkeiten aussehen?
Die Geflüchteten sollten einen Einblick in die sozialen Bereiche bekommen. Alte Menschen in Afghanistan oder Syrien werden ganz anders betreut als in Deutschland. In Afghanistan ist es vollkommen normal, dass sich ein Familienmitglied von der Arbeit zurückzieht, um Angehörige im Sterbeprozess zu begleiten. Der Einblick in den deutschen Pflegealltag kann durch Praktika, Berufsfindungs- oder Vorbereitungskurse geschehen und zwar am besten schon begleitend zu den Sprachkursen. Denn: Sprache ist ein grundlegendes Arbeitsinstrument und Voraussetzung für die Arbeit in der Pflege. Es sind also drei Dinge für diesen Beruf wichtig: Eine sprachliche Kompetenz, eine persönliche Kompetenz und sie müssen wissen, auf was sie sich einlassen. Das wäre der erste Schritt. Dabei muss klar sein, dass dieser Prozess nicht drei oder sechs Monate, sondern auch zwei oder drei Jahre dauern kann.
Für die Ausbildungsstätten und Arbeitgeber ist die Ausbildung von Geflüchteten schwierig. Was sind die größten Hürden?
Die unklare Bleiberechtssituation und die langen Anerkennungsverfahren sind für viele Einrichtungen neben der Finanzierung dieser Maßnahmen ein großes Problem. Es besteht zu wenig Rechtssicherheit darin, was die Leute machen dürfen. Einrichtungen stecken Zeit, viel Know-how und Geld in die Integration, und trotzdem kann es sein, dass diese Menschen von einem auf den anderen Tag abgeschoben werden. In einer unsere Einrichtungen soll ein Geflüchteter aus Afghanistan, der als Pflegehelfer einen tollen Umgang mit den Bewohnern hat und bestens integriert ist, mit seiner Familie nach Ungarn abgeschoben werden.
Welche Qualifikationen sollten die Ausbilder mitbringen?
Die Ausbilder brauchen nicht nur eine fachliche Qualifikation in der Pflege und als Praxisanleiter, sondern sie sollten auch sozialpädagogisch geschult sein, um die Mitarbeitenden und Auszubildenden zu begleiten und ihnen zu helfen, mit Stress- und Belastungssituationen klar zu kommen. Dieses Angebot sollte allerdings nicht nur für Geflüchtete, sondern für alle, gelten.
Das heißt die Ausbildung in der Pflege sollte generell angepasst werden?
Wir dürfen keine Zwei-Klassen-Ausbildung stärken, in der Menschen in einer besonderen Situation stärker gefördert werden. Das macht die Ausbildung nicht attraktiver. Sie muss endlich generell besser aufgestellt werden. In vielen anderen Bereichen wie der Industrie ist das ja auch möglich. Geflüchtete als Lückenbüßer zu nehmen für das, was unsere Gesellschaft aus eigenen Kräften nicht mehr schafft, ist jedenfalls keine Lösung.
Interview: Diakonie/Anieke Becker
Zur Person
Christian Zanke, 43, hat mit 17 eine Ausbildung in der Krankenpflege gemacht, absolvierte dann Weiterbildungen in der Psychiatrie, Qualitätsmanagement und Sozialwirtschaft und arbeitete als Pflegedienstleiter und Heimleiter in der Altenpflege. Zu seinem Aufgabengebieten in den letzten Jahren gehört Krisenmanagement in der Altenpflege und Personalentwicklung, insbesondere die Gewinnung und Begleitung von Fachkräften aus dem Ausland. Aktuell ist er als Heimleiter im evangelischen Alten- und Pflegeheim Friedrich-Meinzolt-Haus in Dachau beschäftigt.