Ein neues Zuhause

5. März 2014
  • Journal
  • Flucht und Migration
  • Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden von dem Jugendprojekt “Alleinreisende Jugendliche“ (ALREJU) aufgenommen – so auch Ewaz Ali Rahimi aus Afghanistan. Seine Geschichte über Heimweh und Perspektiven.

Junge im Portrait
© Diakonie/Wolf-Hendrik Müllenberg

Ewaz Ali Rahimi verlässt seine Heimat Afghanistan als er gerade einmal 15 Jahre alt ist

Als Ewaz Ali Rahimi seine Heimat verlässt, ist er 15 Jahre alt. Seine Mutter hat ihn in einen Bus gesetzt – aus Angst er würde wie sein Vater von Taliban getötet. Ewaz reist allein. Ein Trip ohne Rückfahrticket: Masar-e-Sharif – Kabul in 7 Stunden, von dort in die Türkei, dann Griechenland. 3 Monate später steigt er aus einem Flugzeug. Berlin, Schönefeld. Erste Frage des Bundespolizisten in einer Sprache, die er nicht versteht: "Wohin willst du?" Er will von Deutschland weiter nach Schweden – dort hat er Freunde, Flüchtlinge wie er einer ist, Jungs und Mädchen, mit denen er das gleiche Schicksal teilt: In einem Land aufgewachsen zu sein, das für sie zu gefährlich geworden war. Zweite Frage: "Warum hast Du illegale Papiere?" Da beginnt er zu begreifen, dass er nicht nur seine Mutter in Afghanistan sondern auch seine Freunde so schnell nicht wiedersehen würde.

Unterstützung bei ALREJU 

Das Abenteuer Deutschland beginnt für Ewaz in der Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt. Dort stellen die Beamten schnell fest, dass Ewaz minderjährig ist – das sehen sie auch ohne einen Blick auf ordnungsgemäße Papiere zu werfen. Denn vor ihnen steht ein schüchterner Junge, der seine Mutter vermisst und am liebsten zurück will – auch wenn er weiß, dass das nicht geht. Weil Ewaz mit 15 Jahren ohne Eltern oder Verwandte nach Deutschland gekommen ist, wählen sie die Nummer des Jugendprojekts "Alleinreisende Jugendliche", kurz ALREJU, das sich um Menschen wie Ewaz kümmert: Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge.

Alle Nationalitäten willkommen

Wegweiser aus Holz, der die Richtung und Entfernung von verschiedenen Ländern anzeigt Vergrößern ALREJU schafft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge neue Perspektiven Seit 1993 gibt es das Haus in Fürstenwalde. ALREJU ist die einzige Einrichtung seiner Art in Brandenburg. Bundesweit gibt es nur eine Einrichtung in Süddeutschland, das so wie ALREJU eine größere Zahl minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge in einem Haus aufnimmt und betreut. ALREJU bietet Platz für rund 63 Jugendliche und nimmt jeden auf, unabhängig von ihrer Nationalität, Kultur und Religion. Jugendliche aus allen Teilen der Welt leben hier: Sie stammen aus Vietnam, Irak, Sudan oder wie Ewaz aus Afghanistan. Er lebt mit 5 anderen Afghanen in einer von insgesamt 6 Wohngruppen. Dort hat er ein eigenes Zimmer; Küche und Bad teilt er sich mit seinen Mitbewohnern. Das Haus hat mehrere Gemeinschaftsräume, einen Sportraum und einen Schulungsraum – hier hat Ewaz seine ersten Worte auf Deutsch gelernt, während des so genannten Erstunterrichts, den alle Neuankömmlinge bei ALREJU bekommen. Momentan besucht Ewaz die Spree-Oberschule in Fürstenwalde. Sein Deutsch ist so gut, dass er mit anderen deutschen Kindern die Schulbank drücken kann.

Zukunft in Deutschland

2 Jahre ist Ewaz jetzt in Deutschland – in dieser Zeit hat er sich sehr verändert. "Ich bin sehr stolz auf Ewaz“, sagt Ramona Wels. Sieist eine von 2 Pädagogen, die die Jugendlichen in Ewaz Wohngruppe betreut. In den ersten Monaten sei Ewaz sehr verschlossen gewesen, sagt Wels. Sein Zuhause habe er sehr vermisst, ganz besonders seine Mutter. Heute geht es Ewaz besser, er hat seinen Sport, er hat Freunde bei ALREJU und er hat ein Ziel: Die Fachoberschulreife. Ewaz, der wegen der Kriegswirren den Kontakt zu seiner leiblichen Mutter in Afghanistan verloren hat, sagt über Ramona Wels: "Ich liebe sie wie meine Mama." Noch ein Jahr, dann ist Ewaz volljährig. Dann will er eine eigene Wohnung, eine Ausbildung als Bürokaufmann und: Eine Zukunft in Deutschland.

Text: Diakonie/Wolf-Hendrik Müllenberg