BFD nach dem Berufsleben, ein Erfahrungsbericht: „Das Dienstjahr hat für mich bis heute eigentlich nicht geendet“
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Werner Jacobi (65) war nicht nur einer der ersten Bundesfreiwilligendienstleistenden überhaupt, sondern als ehemaliger Bundeswehrsoldat in Pension auch altersmäßig ein „Exot“. Er hat vom 1. Februar 2012 bis 30. Juni 2013 einen BFD in der Evangelischen Kita Gadeland in Neumünster gemacht. Geendet hat sein „Dienstjahr“ für Jacobi eigentlich bis heute nicht.
„Ich habe vier Töchter, denen habe ich nach dem Abitur allen erstmal ein Freiwilliges Soziales Jahr verordnet. Tja, und dann haben sie natürlich gesagt, Papa, wenn du in Rente gehst, dann kannst du sowas auch mal machen, nicht nur wir.
Ein BFDler wurde ich dann so: Ich bin in Pension gegangen und habe danach begonnen, mich in der Evangelischen Kita Gadeland mit Hausmeistertätigkeiten ein bisschen zu engagieren. Meine vier Töchter gingen früher in den Kindergarten und ich hatte schon als sie noch dort waren das eine oder andere für die Kita gebaut oder Dinge repariert. Der Pastor hat dann für die Kirchengemeinde und den Kindergarten eine BFD-Stelle beantragt; und dadurch bin ich da reingekommen.
Freiwilligendienst im Ruhestand ist meist eine riesige Win-win-Situation
Früher war man, wenn man in Rente gegangen ist, alt. Das ist aber heute nicht mehr so. Mit 65 geht jemand in den Ruhestand, der eine unglaubliche Berufserfahrung hat, voll im Saft steht, aber von Staats wegen nicht mehr gebraucht wird. Und wenn der oder die noch Lust hat und das Angebot bekommt, sich freiwillig zu engagieren und Fachwissen und Erfahrungen nochmal im sozialen Bereich sinnvoll einzusetzen, dann ist das meistens eine riesige Win-win-Situation. Für mich war das jedenfalls gut und ich habe es schon sehr oft weiterempfohlen.

Werner Jacobi gehörte zu den ersten Freiwilligen im Bundesfreiwilligendienst. Einen BFD nach dem Berufsleben sieht er als "Win-win-Situation".
Mein Berufsleben lang hatte ich Glück – deshalb wollte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben
Ich wollte aber auch ganz einfach der Gesellschaft etwas zurückgeben, weil ich in meiner gesamten Dienstzeit bei der Bundeswehr sehr viel Glück gehabt habe. Mir ist nie etwas passiert, obwohl es eine überaus gefährliche Arbeit war. Ich habe zum Beispiel in Munster eine Anlage geleitet für die Entsorgung chemischer Kampfstoffe aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, mit der Kampfmittelbeseitigung war ich ein Jahr in Afghanistan – und es hat immer gut geklappt. Deswegen wollte ich einfach mal etwas zurückgeben.
Geplant hatte ich den BFD eigentlich halbtags für zwölf Monate – am Ende wurden daraus 18 Monate in Vollzeit. Ich habe morgens früh um sieben im Kindergarten angefangen, da waren meist nur wenige da. Es gab aber einen schwerstbehinderten Jungen, der hatte einfach einen Draht zu mir und meiner Latzhose. Er kam dann gleich früh zu mir angerollt mit seinem Rollstuhl. In der Kita habe ich das gemacht, was handwerklich zu machen war. Ich habe auch Spielzeug gebaut und repariert. Die Kita hatte zum Beispiel Unmengen an Legokisten. Ich habe dann mehrere Rollwagen gebaut, auf denen unten die Kisten standen und oben gab es eine Platte mit Rand, damit nichts runterfallen konnte. Die Platte war komplett mit großen Legoplatten belegt, so dass die Kinder oben immer sofort anfangen konnten zu bauen. Auch bei der Kirche habe ich mich um handwerkliche Dinge auf dem Außengelände und im Inneren der Kirche gekümmert.
Gefühlt 10.000 Bakterien an der Hand, aber die Kinder waren glücklich
Das Tolle während meines BFD war, dass die Kinder sehr viel durch ihre Ehrlichkeit und ihre Art und Weise zurückgaben, wenn ich ihnen etwas repariert oder gebaut hatte. Auch wenn ich einfach mal morgens früh durch die Gruppen ging und mich auf den Fußboden gesetzt habe, dann haben sie mich praktisch überfallen und an mir gehangen, jeder musste abklatschen. Wenn ich dann bei der letzten Gruppe angekommen war, hatte ich gefühlt fünf Kilo Rotz und 10.000 Schnupfenbakterien an der Hand, aber die Kinder waren glücklich. Das war schon toll. Bei der Arbeit in der Kirche war schön, dass ich praktisch bei null anfangen konnte. Da konnte ich also meine Berufserfahrung einbringen, es ging auch viel um Arbeitssicherheit. Dafür war die Kirche natürlich auch sehr dankbar.
Blick über den Tellerrand kann Sichtweise verändern
Richtig, richtig toll war die Betreuung und pädagogische Begleitung durch den Träger aus Rendsburg. Alle vier Wochen gab es ein Treffen zum Erfahrungsaustausch oder eine Exkursion mit anderen BFDlerinnen und BFDlern. Wir waren zum Beispiel im Hospiz oder im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk für gehörlose Menschen in Husum. Ich habe dadurch Einblicke bekommen in Bereiche, die mich zum Teil bis heute sehr beeindrucken. Mal einfach in sozialen Einrichtungen über den Tellerrand zu schauen, hat das BFD-Jahr schon sehr geprägt und kann, wenn man es an sich herankommen lässt, auch die Sichtweise verändern.

Auch nach seinem BFD hat sich Werner Jacobi weiter im Kindergarten engagiert und ist heute noch bei der Kirche als Hausmeister und im Gemeindekirchenrat aktiv.
„Das Dienstjahr hat für mich bis heute eigentlich nicht geendet“
Wenn man es so nimmt, hat dieses Dienstjahr für mich bis heute eigentlich nicht geendet, es geht nur unter anderen Vorzeichen weiter. Ich bin nach dem BFD am Kindergarten hängen geblieben, habe mich im Förderverein engagiert und Geld gesammelt, damit haben wir die gesamte Außenanlage am Kindergarten neu gemacht. Heute noch bin ich bei der Kirche als Hausmeister aktiv und im Gemeindekirchenrat. Auch meine Frau engagiert sich mittlerweile mit in der Kirche. Wir haben das ganze Gelände jetzt wirklich auf links gedreht und ich glaube, mit Stolz sagen zu können, dass die Erlöserkirche Gadeland von außen und innen eine wirklich sehenswerte Kirche in Neumünster ist.
Wie gesagt, für mich hat das eigentlich bis heute nicht geendet. Und das wird auch noch eine ganze Zeit so weitergehen.“
Protokoll: Diakonie/Sarah Spitzer
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