Themenschwerpunkt

Familien­zusammenführung

© epd/mck

Familiennachzug für viele Flüchtlinge schwierig

Flüchtlinge, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden, haben einen Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Diejenigen, die nur subsidiären Schutz bekommen, weil sie zum Beispiel aufgrund des Krieges in Syrien geflohen sind, aber nicht individuell verfolgt werden, haben seit dem 01. August 2018 keinen Rechtsanspruch mehr. Der Grund: Die Kommunen sollten wegen der hohen Flüchtlingszahlen bei der Aufnahme entlastet werden. Die Zahlen sind jedoch erheblich zurückgegangen. Dennoch dürfen seither nur bis zu 1.000 Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Kontingentes einreisen. So können zwischen Einreise und Familiennachzug ohne weiteres fünf Jahre liegen, wenn er überhaupt gewährt wird. Zudem setzt die Bundesrepublik ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Rechtsanspruch auf Familiennachzug unbegleiteter Minderjähriger nicht um.

Integration als Familienprojekt

Aus diakonischer Sicht braucht Integration eine Zukunftsperspektive für Familien. Die Sorge von subsidiär Schutzberechtigten um in der Herkunftsregion verbliebene Angehörige bindet ihre Kräfte. Besonders gravierend ist die Aussetzung für unbegleitete Minderjährige, die sich allein ohne ihre Familie in eine für sie fremde Gesellschaft einleben müssen. Aus Sicht der Diakonie funktioniert Integration besser, wenn die ganze Familie zusammenleben kann. Das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichten, familiäre Bindungen zu berücksichtigen. Entscheidend ist dabei, ob die Familie auch im Herkunftsland zusammenleben kann. Für Bürgerkriegsflüchtlinge ist das nicht möglich. Der Schutz von Familie muss auch für sie gelten. 

Mehr Hintergründe zur Familienzusammenführung

Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland

„Wer aus wahltaktischer Opportunität verhindert, dass Geflüchtete ihre engsten Angehörigen nachholen, darf sich nicht über schwerwiegende Folgen wie Desintegration wundern”

Nachgefragt

Wie Geflüchtete in Deutschland ihre Angehörigen aus Krisen- und Kriegsländern nachholen können und wer einen Anspruch auf Familienzusammenführung hat, erklärt Diakonie-Flüchtlingsexperte Sebastian Ludwig.

Die Familienzusammenführung erfolgt nach dem Botschafts- bzw. im Visumsverfahren oder dem Dublinverfahren. Das Visumsverfahren kommt für Familienangehörige innerhalb und außerhalb der EU in Frage, wenn der Ehepartner oder das minderjährige Kind eine Aufenthaltserlaubnis nach der Genfer Flüchtlingskonvention für Deutschland besitzt. Hier ist es wichtig, den Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb von drei Monaten nach der Anerkennung als Flüchtling zu stellen. Nach dieser Frist gibt es keinen Anspruch mehr auf den Nachzug, wenn die anerkannten Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt und ausreichenden Wohnraum nicht selbst sichern können. Diese Frist gilt nicht für subsidiär Schutzberechtigte, da sie keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug mehr haben. Es dürfen nur bis zu 1.000 enge Familienangehörige pro Monat aus humanitären Gründen einreisen. Die Visumsanträge können bei den deutschen Auslandsvertretungen gestellt werden. Das Bundesverwaltungsamt soll auf  Grundlage der vorliegenden Informationen von den Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden entscheiden, welche Personen einreisen dürfen. In ihre Entscheidung gehen die Dauer der Trennung, eine ernsthafte Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit der Familienangehörigen, sowie das Vorliegen einer schweren Erkrankung, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit ein und, ob ein minderjähriges lediges Kind von der Trennung betroffen ist. Bisher war jedoch keine Auswahl zu treffen, da das ohnehin kleine Kontingent aufgrund der verzögerten Rückmeldungen der Ausländerbehörden nicht ausgeschöpft wurde. Am 01.08.2018 lagen ca. 26.000 vor. Hinzu kommen fortwährend weitere Schutzberechtigte, die Anträge stellen.

Wenn sich die nachziehenden Familienmitglieder in einem Mitgliedstaat der Dublinverordnung befinden und über ihren Asylantrag noch nicht entschieden wurde, kann ein Antrag auf Zusammenführung im Rahmen des Dublinverfahrens gestellt werden. Dazu müssen die Nachziehenden vor Ort einen Antrag auf Asyl stellen und angeben, dass sie einen Angehörigen in Deutschland haben und zu diesem nachziehen möchten. Die jeweilige Asylbehörde wendet sich dann an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Deutschland und leitet die Überstellung ein. Auch hier verzögert sich die Familienzusammenführung erheblich. Viele Familienangehörige, die sich insbesondere in Griechenland befinden, warten lange auf Ihre Zusage im Rahmen des Dublin-Verfahrens.

Anerkannte Geflüchtete und subsidiär Schutzberechtigte dürfen im Botschaftsverfahren nur ihre Ehepartner und die minderjährigen, ledigen Kinder nachholen. Dazu müssen Sie die Verwandtschaft, zum Beispiel durch übersetzte und beglaubigte Heirats- und Geburtsurkunden oder durch einen DNA-Test nachweisen. Minderjährige anerkannte Geflüchtete können ihre Eltern nachholen, wenn sich kein sorgeberechtigter Elternteil in Deutschland aufhält. Geschwister dürfen nur einreisen, wenn sie auch minderjährig und ledig sind und der sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland besitzt. Laut einem Gerichtsurteil kann das Visum der Eltern schon als Aufenthaltserlaubnis angesehen werden, wodurch die Geschwister gleich mit einreisen können. Laut deutschem Recht dürfen anerkannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ihre Eltern nur bis zu ihrem 18. Geburtstag nachholen. Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist diese Regelung jedoch rechtswidrig. Da für den Anspruch auf Familiennachzug nicht ausschlaggebend sein kann, wie lange das Verfahren in Deutschland gedauert hat, ist daran anzuknüpfen, ob der Flüchtling bei Asylantragstellung minderjährig war.

Die Familienzusammenführung nach der Dublin-III-Verordnung bietet gegenüber dem Botschaftsverfahren den Vorteil, dass der Familienbegriff weiter gefasst ist und die Zusammenführung schon vor dem Abschluss des Asylverfahrens durchgeführt werden kann.

Bei der Beantragung des Visums kann die Internationale Organisation für Migration (IOM) weiterhelfen. Die IOM betreibt mehrere arabischsprachige Zentren in Istanbul, Gaziantep und Beirut, der Standort Erbil ist in Planung. Die Mitarbeitenden überprüfen die Visumanträge, verifizieren Verwandtschaftsverhältnisse durch DNA-Tests, führen die biometrische Registrierung und Antragsannahme durch und bieten Integrationskurse in Arabisch an.  

In Deutschland bieten die Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände kostenlose Beratung an. Hier werden die Geflüchteten über die Rahmenbedingungen der Familienzusammenführung beraten. Die Beraterinnen und Berater vermitteln dem Schutzsuchenden die rechtlichen Grundlagen, damit sie selbständig handeln können. Auch gibt beim Auswärtige Amt Informationen zu dem Thema – auch auf Arabisch. Außerdem kann ein Rechtsanwalt mit der Zusammenführung beauftragt werden. Das ist allerdings oft mit hohen Kosten verbunden. Weitere Anträge können derzeit nicht entgegen genommen werden, da mehr Anträge vorliegen als finanzielle Mittel vorhanden sind. Daher sind Spenden herzlich willkommen, um die Familienzusammenführung von Flüchtlingen finanziell unterstützen zu können. Hier kann man für die Zusammenführung spenden

Journal

  • Familiennachzug unterstützen

    Viele Familien müssen sich für die Familienzusammenführung privat verschulden. Mit Ihrer Spende können Sie helfen.

    © Diakonie/Francesco Ciccolella
  • Ein langer Weg der Wiedervereinigung

    Seine Flucht von Syrien war lebensbedrohlich. Doch die größte Angst begann für Ahmed Said in Berlin. Monatelang kämpfte er mit dem Diakoniewerk für den Nachzug seiner Familie.

Ansprechpartnerin und Ansprechpartner

© Hermann Bredehorst

Dr. Sebastian Ludwig

Flüchtlingsarbeit und Asylpolitik (Flucht)

030 65211-1638

[email protected]

Sabine Tittlowitz

Sachbearbeitung Familienzusammenführungsfonds

030 65211-1650

[email protected]