Pflegereform umsetzen – Gesundheitssystem stärken
Die Corona-Pandemie ist ein Stresstest für das Gesundheitswesen, die ambulante und stationäre Beratung, Begleitung und Versorgung von alten und kranken Menschen sowie die Unterstützung von Menschen mit Behinderung. Aus der Krise können wir lernen.

Die Corona-Pandemie ist ein Stresstest für das Gesundheitswesen, die ambulante und stationäre Beratung, Begleitung und Versorgung von alten und kranken Menschen sowie die Unterstützung von Menschen mit Behinderung.
Die fachlichen Forderungen der Diakonie Deutschland für eine umfassende Pflegereform und ein stärkeres Gesundheitssystem
Die Corona-Pandemie ist ein Stresstest für das Gesundheitswesen, die ambulante und stationäre Beratung, Begleitung und Versorgung von alten und kranken Menschen sowie die Unterstützung von Menschen mit Behinderung. Aus der Krise können wir lernen.
Aufgaben der Politik
Bund und Länder müssen den gesellschaftlichen Akteuren klarere Vorgaben und Rahmenbedingungen setzen. Dies ist aktuell im Bereich der Krankenhäuser erkennbar. Dem gesundheitlichen Bedarf der Bevölkerung entsprechende Unterstützungs- und Versorgungsstrukturen sind nicht im Leistungswettbewerb der Anbieter entstanden. Inzwischen hat sich auch die Abgrenzung der stationären von der ambulanten Versorgung an vielen Punkten überholt. Hier müssen die Länder und der Bund Strukturentscheidungen treffen, um die Versorgungsstrukturen patientenorientiert zu verzahnen. Auch in der Langzeitpflege sind im Wettstreit der Anbieter noch nicht die Strukturen entstanden, die das selbstbestimmte Leben alter Menschen bis zuletzt ermöglichen. So fehlen in den meisten Regionen Einrichtungen der Kurzzeitpflege, die die häusliche Pflege und die Rückkehr pflegebedürftiger Menschen aus dem Krankenhaus nach Hause wesentlich erleichtern. Aber auch Menschen mit Behinderungen sind für ein normales Leben im Quartier auf Strukturen angewiesen, die nicht im Einzelfall geschaffen werden können. Sie benötigen barrierefreien Wohnraum, der auch Assistenzleistungen ermöglicht – und Barrierefreiheit auch im Wohnumfeld sowie einen inklusiven Arbeitsmarkt.
Die in allen Bereichen erforderlichen Investitionen nützen der gesamten Bevölkerung: Sie erhöhen die individuelle Sicherheit und Selbstbestimmung, entlasten aber auch An- und Zugehörige in der Fürsorge für Menschen, die von Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Behinderungen betroffen sind.
Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip soll der Staat möglichst viele Aufgaben geeigneten Akteuren in der Gesellschaft übertragen und in seinem eigenen Handeln die Kommune als bürgernahe Instanz stärken und beauftragen. Insofern müssen auch weiterhin die Träger der Sozialversicherung, die von demokratisch gewählten Aufsichtsgremien geleitet werden, und die Leistungserbringer, die eine Vielzahl gesellschaftlicher Orientierungen und Lösungsansätze repräsentieren, an der Modernisierung der Strukturen mitwirken. Dabei sollten die Unterstützungs- und Versorgungsziele im Vordergrund stehen und sehr viel stärker gewichtet werden als die betriebswirtschaftlichen Chancen einzelner Leistungsträger oder -erbringer.
Der Beitrag der Diakonie
Die Diakonie Deutschland beteiligt sich aus Überzeugung und langjähriger Erfahrung an der Bewältigung der skizzierten Aufgaben. Die Diakonie Deutschland ist Teil des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung e.V. und wirkt als einer der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege an der Begleitung der Sozial- und Gesundheitspolitik des Bundes mit. Als Verband ist sie föderal und nach Fachgruppen gegliedert: Ihr gehören die in den Bundesländern tätigen Diakonischen Werke der Landeskirchen und Bundesfachverbände an, die die wesentlichen Felder diakonischer Arbeit abbilden. Für den Bereich Gesundheit, Rehabilitation und Pflege sind dies der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, der Deutsche Evangelische Krankenhausverband, der Deutsche Evangelische Verband für Altenhilfe und Pflege und der Gesamtverband für Suchthilfe sowie die überwiegend in der Pflege tätigen Diakonischen Gemeinschaften, die Johanniter, der Evangelische Berufs- und Fachverband für Pflege und weitere.
Diakonische Arbeit dient dazu, „unterschiedslos allen Menschen beizustehen, die in leiblicher Not, seelischer Bedrängnis, Armut und ungerechten Verhältnissen leben; die Ursachen dieser Nöte aufzudecken und zu benennen und zu ihrer Beseitigung beizutragen“ (Satzung des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung vom 14. Juni 2012). Dieser Zielsetzung sind die Diakonie Deutschland und die ihr angeschlossenen Einrichtungen und Dienste verpflichtet.
Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Prävention und Gesundheitsförderung geweckt. Die Vermeidung von Ansteckungen und damit der Verbreitung der Krankheit fordert von allen Bürger*innen Verhaltensänderungen. Zugleich ist der Einfluss unterschiedlicher Lebensverhältnisse auf die Gesundheit und die Teilhabe der Menschen deutlich geworden: Beengte Wohnverhältnisse, Stadtquartiere mit hohen Umweltbelastungen und wenig Freiflächen und Spielplätzen, aber auch soziale Isolation und Langzeitarbeitslosigkeit beeinträchtigen die Gesundheit. Prävention kann einen Beitrag zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit leisten.
Präventionspolitik muss deshalb bei den Lebens- und Arbeitsbedingungen ansetzen. Entscheidend ist aus der Sicht der Diakonie Deutschland, die Adressaten der Prävention und Gesundheitsförderung als Partner anzusprechen und mit ihnen ihr konkretes Umfeld mitzugestalten.
Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie Deutschland in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages
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die Verankerung des präventiven Hausbesuchs bei älteren Menschen sowohl in den Landesgesundheitsgesetzen der Länder als auch im Präventionsrecht der Krankenkassen.
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die Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol und die Verstetigung bewährter Programme der Suchtprävention.
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die Fortführung der bewährten - unter Beteiligung von Betroffenen durchgeführten - Anti-Stigma-Programme bezüglich psychisch kranker Menschen.
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die Einbeziehung der Freien Wohlfahrtspflege in die Präventionsvereinbarungen auf der Landesebene, um Handlungskonzepte zur Verbesserung der Situation älterer und sozial benachteiligter Menschen verbindlich zu vereinbaren.
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die Verpflichtung, in den Landesrahmenvereinbarungen zwischen den Ländern, Krankenkassen und anderen Akteuren konkrete Präventionsvorhaben zu vereinbaren, um eine kontinuierliche Prävention und Gesundheitsförderung zu ermöglichen.
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eine Neubestimmung der Aufgaben der Institutionen, die nach dem Präventionsgesetz die Prävention steuern, insbesondere der Rolle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung; dazu hat die Diakonie an anderer Stelle konkrete Vorschläge entwickelt.
In der Corona-Pandemie wird deutlich, wie wichtig es ist, dass die gesamte Bevölkerung Zugang zum Gesundheitssystem hat. Existenzielle Probleme haben Menschen ohne Krankenversicherung, darunter Menschen ohne Wohnung oder mit hohen Schulden, Selbstständige mit sehr niedrigen Einkünften, aber auch EU-Bürger*innen ohne nachgewiesenen Krankenversicherungsschutz sowie Menschen ohne Papiere.
In der diakonischen Praxis begegnen uns vielfach erkrankte Menschen mit fehlendem oder eingeschränktem Zugang zu gesundheitlicher Versorgung. Es sind Menschen, die häufig noch andere existenzielle Probleme haben. Die fehlende Krankenbehandlung spitzt Krisen zu oder lähmt Menschen bei der Bewältigung ihrer Probleme. Aus diakonischer Sicht haben die Behandlung kranker Menschen und das Recht auf Gesundheit eine übergeordnete menschenrechtliche Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie Deutschland für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages
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die Aufhebung der Übermittlungspflicht an die Ausländerbehörden nach § 87 Aufenthaltsgesetz, damit Menschen ohne Papiere die Arztpraxis ohne Umweg über das Sozialamt und dessen Meldung an die Ausländerbehörden aufsuchen können.
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die Ausgabe eines anonymen Krankenbehandlungsscheins an Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel.
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die Finanzierung von Clearingstellen, an die sich Personen mit unklarem Versichertenstatus wenden können.
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einen zeitlich befristeten Erlass von Beitragsschulden bei der gesetzlichen Krankenkasse.
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die Einrichtung eines Notfallfonds, um die Versorgung zu gewährleisten, wenn der Versicherungsstatus von Personen ohne Krankenversicherung nicht zügig geklärt werden kann.
Auch wenn aktuell eine Infektionskrankheit das Gesundheitswesen herausfordert, ist die kurative Behandlung und Rehabilitation von Menschen mit chronischen Erkrankungen weiter eine der Hauptaufgaben des Gesundheitswesens in Deutschland.
Mit ihren Krankenhäusern, Pflegediensten und spezialisierten Angeboten für chronisch kranke und behinderte Menschen beteiligt sich die Diakonie aus Überzeugung an einer sinnvollen Planung und Koordination zukunftsweisender Strukturen. In diesen müssen frei-gemeinnützige Träger ihren Beitrag zu einem bürgernahen und nicht von kommerziellen Interessen dominierten Gesundheitswesen leisten können. Eine hohe Qualität, gute Zugänglichkeit und Kontinuität der Versorgung in allen Regionen ist das Ziel. Es wird nicht durch private oder staatliche Großeinrichtungen erreicht, sondern durch die Kooperation unterschiedlicher Akteure. Aus diakonischer Sicht umfasst die sektorenübergreifende Versorgung neben kurativen, rehabilitativen, palliativen und pflegerischen Leistungen auch die Beratung und psychosoziale Unterstützung. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure in einer Region sollte sich an fachlichen Gesichtspunkten orientieren.
In der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages tritt die Diakonie Deutschland besonders ein
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für einen bundesweiten Rahmen für die Schaffung guter regionaler Versorgungsstrukturen.
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für die Verwirklichung einer sektorenübergreifenden Versorgung, insbesondere bei chronischen Erkrankungen. Wichtig ist die Koordination der Versorgung durch verschiedene Leistungserbringer (Lotsenfunktion). Wir setzen uns für eine nur den Patient*innen beziehungsweise Klient*innen verpflichtete Fallberatung und -begleitung ein.
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für mehr Versorgungsverantwortung in den Ländern und Regionen. Unter Moderation des Landes beziehungsweise der Kommunen, die einen politischen Rahmen setzen, müssen die an der Versorgung beteiligten Akteure mit den Leistungsträgern Vereinbarungen treffen, die eine sektorenübergreifende Versorgung ermöglichen; dazu kann auch der (zu reformierende) Rahmen des „Gemeinsamen Landesgremiums“ nach § 90a SGB V genutzt werden.
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für das Recht von Menschen mit Behinderung, im Krankenhaus Assistenz von einer vertrauten Person zu erhalten.
Medizinische Rehabilitation ermöglicht Menschen die Rückkehr in ihr normales Leben und ist besonders für Menschen mit chronischer Erkrankung wichtig, damit sie ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen können.
Diakonische Rehabilitationseinrichtungen unterstützen Menschen mit sehr unterschiedlichem Rehabilitationsbedarf, zum Beispiel Kinder mit Atemwegserkrankungen, überlastete Mütter und Väter, Menschen mit psychischen und Abhängigkeitserkrankungen oder Menschen im hohen Alter (geriatrische Rehabilitation).
Aus der Sicht der Diakonie Deutschland muss die „Rehabilitationslandschaft“ weiterentwickelt werden. Die Vielfalt der Angebote sollte erhalten und erweitert werden. Ausgebaut werden muss die mobile Rehabilitation, die Menschen erreicht, denen die Fahrt in eine Klinik oder ambulante Rehabilitationseinrichtung nicht möglich ist. Auch für Menschen mit psychischer Erkrankung muss es Rehabilitationsangebote geben, die sie nicht aus ihrem gewohnten Umfeld herausnehmen. Abzulehnen ist die Übernahme von Rehabilitationskliniken durch Finanzakteure, die die Kliniken auf das Erzielen hoher Erlöse mit möglichst niedrigem Aufwand trimmen – und komplexe „Fälle“ umgehen.
Für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages fordert die Diakonie Deutschland,
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die medizinische Rehabilitation pflegebedürftiger Menschen auszubauen unter anderem durch mobile Rehabilitationsangebote.
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den Ausbau mobiler Rehabilitationsdienste durch ein bundesweites Förderprogramm zu unterstützen.
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in der Kinder- und Jugendrehabilitation mehr ambulante Angebote zur Verfügung zu stellen und die Nachsorge weiterzuentwickeln, die familienorientierte Rehabilitation auszubauen und die Finanzierung der Klinikschulen zu sichern.
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die Erbringung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation für Menschen mit schweren psychischen Störungen auch durch gemeindepsychiatrische Verbünde zu ermöglichen.
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die Leistungsträger zu verpflichten, Versorgungsverträge nur mit Einrichtungen mit tariflicher Vergütung abzuschließen.
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im Bereich der Mutter-Vater-Kind-Rehabilitation einen Anspruch auf vor- und nachstationäre Beratung und Nachsorge durch Beratungsstellen im Verbund des Müttergenesungswerks einzuführen und diesen Anspruch auch auf pflegende Angehörige zu beziehen; die Angebote für pflegende Angehörige sind aufgrund der Entwicklung des Bedarfs dringend auszuweiten.
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das trägerübergreifende Recht des SGB IX weiterzuentwickeln. Hier sind dringend Änderungen im Leistungserbringungsrecht erforderlich, nämlich trägerübergreifende Schiedsstellen, eine gemeinsam verantwortete Qualitätssicherung von Leistungsträgern und Leistungserbringern sowie im Bereich der Rentenversicherung Rahmenvereinbarungen beziehungsweise -empfehlungen nach dem Modell der Krankenversicherung.
Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen sind stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Aufgrund körperlicher Begleiterkrankungen gehören viele, insbesondere Raucher*innen, zu den Covid-19-Risikogruppen. Die Kontaktbeschränkungen treffen Menschen, deren seelische und körperliche Gesundheit angegriffen ist, vergleichsweise stärker. In dieser Zeit haben sich die mit hohem Engagement aufrechterhaltenen Beratungsangebote sehr bewährt. Nun muss es insbesondere darum gehen, niedrigschwellige Beratung und Zugänge ins Suchthilfesystem zu sichern.
Die Diakonie ist in der Suchtberatung und Suchtrehabilitation sowie mit den ihr zugehörigen Suchtselbsthilfeverbänden in der Förderung der Selbsthilfe tätig. Darüber hinaus werden Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen in psychiatrischen Kliniken und Fachabteilungen sowie in Allgemeinkrankenhäusern der Diakonie behandelt. Idealerweise greifen die verschiedenen Angebote und Leistungen nahtlos ineinander und können suchterkrankte Menschen so im Umgang bzw. bei der Bewältigung ihrer Erkrankung unterstützen und zur Sicherung ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe beitragen. Dabei haben die Suchtberatungsstellen eine zentrale Funktion. Sie bieten eine niedrigschwellige, voraussetzungslose Beratung an, auch für Angehörige und andere Bezugspersonen, an und bilden das Bindeglied in die Therapie- und Rehabilitationsangebote bis hin zur nachsorgenden ambulanten Suchtrehabilitation in der Beratungsstelle. Um Suchtrisiken und -erkrankungen frühzeitig zu erkennen und um suchtkranken Menschen wirksam zu helfen, sind weitere gesundheitliche Präventionsmaßnahmen, Frühinterventionen und therapeutische Leistungen erforderlich. So fehlen in Deutschland beispielsweise flächendeckende und vom Gesundheitssystem finanzierte Angebote zur Raucherentwöhnung.
Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie Deutschland in der 20. Legislaturperiode,
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die Suchtberatung als kommunale Pflichtaufgabe zu verankern und bundesweit auskömmlich zu finanzieren.
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die Krankenkassen zu verpflichten, Raucherentwöhnungen flächendeckend anzubieten und verlässlich zu finanzieren.
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die Krankenkassen zu verpflichten, qualifizierte Entzugsbehandlungen vor allem bei Alkoholabhängigkeit in den Kliniken ausreichend zu finanzieren sowie ambulante Entzugsbehandlungen besser zu fördern.
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die Kranken- und Rentenversicherung zu verpflichten, die Weiterentwicklung der Therapie von Menschen mit komplexen Krankheitsbildern (sog. Doppeldiagnosen) zu fördern.
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onlinegestützte Therapieverfahren für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen konzeptionell zu unterstützen, finanziell zu fördern und abrechenbar zu machen.
Mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung ist in jedem Jahr von einer psychischen Erkrankung betroffen. Für die Betroffenen und ihre An- und Zugehörigen ist eine psychische Erkrankung vielfach mit großem Leid verbunden. Sie kann zu schwerwiegenden Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben führen. In der Corona-Pandemie leiden psychisch erkrankte Menschen besonders unter der Einschränkung persönlicher Kontakte und Behandlungsangebote. Die Krise zeigt: Menschen mit psychischen Erkrankungen brauchen verlässliche, vor allem ambulante Unterstützung und in Krisen Ansprechpartner*innen, die rund um die Uhr erreichbar sind.
Die Diakonie unterstützt Menschen mit psychischen Erkrankungen unter anderem durch die ihr angeschlossenen psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken oder Fachabteilungen in Krankenhäusern, aber auch durch psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen, Sozialpsychiatrische Dienste, Tagesstätten sowie ambulante Dienste der Eingliederungshilfe und Wohnangebote (Gemeindepsychiatrie).
Aktuell setzt sich die Diakonie Deutschland für flächendeckende Kriseninterventionsdienste und für den Ausbau von Alternativen zur stationären psychiatrischen Behandlung ein. Kriseninterventionsdienste, die es bislang nur in einigen Bundesländern gibt, können Menschen in akuten psychischen Krisen unterstützen und mit dem allgemeinen Notfall- und Rettungswesen strukturiert zusammenarbeiten. Wenn sie rund um die Uhr tätig sind, können Krankenhausaufnahmen vermieden werden. Kriseninterventionsdienste können Klient*innen auch den Zugang zu gemeindepsychiatrischen Diensten und Einrichtungen eröffnen und so Unterstützung über längere Zeiträume in Gang bringen.
Um auch psychisch kranke Menschen zu erreichen, die vom bisherigen System schlecht erreicht und versorgt werden, sind niedrigschwellige und nicht stigmatisierende Zugänge in das Unterstützungssystem und die Begleitung durch persönliche Bezugspersonen über gegebenenfalls längere Zeiträume zu ermöglichen.
Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen fordert die Diakonie Deutschland in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages
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gesetzliche Regelungen für eine spezifische psychiatrische Krisenhilfe.
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verpflichtende Rahmenvorgaben für die Schaffung von psychiatrischen Kriseninterventionsdiensten.
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die Einführung eines individuellen Rechtsanspruchs auf Beratung für (potentiell von einer psychischen Erkrankung) Betroffene sowie für deren Angehörige (Lotsenmodell).
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die rechtliche Verankerung einer regionalen Versorgungsverpflichtung für alle an der Behandlung von psychisch erkrankten oder seelisch beeinträchtigten Menschen beteiligten Leistungserbringer. Wie dies umgesetzt werden kann, zeigen die Selbstverpflichtungen bestehender Gemeindepsychiatrischer Verbünde.
Darüber hinaus setzt sich die Diakonie Deutschland für eine regelmäßige parlamentarische Befassung mit der Lage der Psychiatrie ein, um den Themen der psychischen Gesundheit und von psychischen Erkrankungen mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 zu § 217 StGB „Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Beihilfe zum Suizid“ betrifft viele Menschen, denen sich die Diakonie in ihren verschiedenen Handlungsfeldern zuwendet. Bei den meisten Menschen mit Sterbewunsch steht nach Überzeugung der Diakonie Deutschland hinter diesem Wunsch ein Hilferuf nach einem menschenwürdigen Leben.
Die höchstrichterliche Entscheidung zwingt zum Nachdenken über den Suizid, insbesondere, weil sie die Beihilfe zum Suizid unabhängig von schweren Erkrankungen und Schmerzen straffrei stellt. Nach Auffassung der Diakonie Deutschland ist der Sterbewunsch in der Regel ein Hilferuf in einer ausweglosen Situation – und sollte als solcher gehört werden. Insofern ist die Erschließung von Hilfen zum Leben von größter Bedeutung. Die Hilferufe machen auch aufmerksam auf Defizite in unserer Gesellschaft und unserem Sozialsystem und verlangen nach einer anderen Antwort als der Beihilfe zum Suizid.
Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie Deutschland in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages
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qualifizierte und bedarfsorientierte Angebote der Suizidprävention.
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umfassende Beratungs-, Unterstützungs- und Begleitangebote für Menschen in existenziellen Krisen, für Menschen mit schweren Krankheitsverläufen sowie für Menschen am Lebensende.
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ein mehrdimensionales und mehrphasiges legislatives Schutzkonzept des Lebens im Kontext des assistierten Suizids.
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fachlich fundierte Beratungs- und Unterstützungsangebote mit multiprofessioneller Expertise für Menschen mit dem Wunsch nach Suizidbeihilfe.
Darüber hinaus gehört nach Auffassung der Diakonie Deutschland zu einem präventiven Schutzkonzept auch der aktive Beitrag zu einem gesellschaftlichen Klima, in dem Aufeinander-Angewiesen-Sein, Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit als wesentliche Faktoren und unabänderliche Eigenschaften unseres menschlichen Daseins gesehen werden.
Für Menschen mit Behinderungen sind 2018 mit dem Bundesteilhabegesetz grundlegende Änderungen erfolgt. In Anlehnung an die UN-Behindertenrechtskonvention hat der Gesetzgeber die Weichen gestellt hin zu einer inklusiven Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrem individuellen Bedarf unterstützt werden. Die durch die Corona-Pandemie unterbrochene Umsetzung muss nun konsequent fortgeführt werden.
Die Diakonie arbeitet seit vielen Jahrzehnten für und mit Menschen mit Behinderungen an der Gestaltung des Lebens und Arbeitens. Die Behindertenrechtskonvention ist für sie ein entscheidender Impuls zur Umgestaltung ihrer Angebote.
Angesichts der Ansteckungsgefahr, der Notwendigkeit von Kontaktbeschränkungen und der Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens konnte es in der Pandemie nur darum gehen, Menschen mit Behinderungen in ihrer aktuellen Lebenssituation zu schützen und zu unterstützen. Nun müssen die Entwicklungen zur Stärkung von Selbstbestimmung, Teilhabe und Inklusion wiederaufgenommen werden. Sowohl „Übergangsvereinbarungen“ als auch die leistungsrechtlichen Regelungen des Bundesteilhabegesetzes müssen dahingehend genutzt werden, Menschen mit Behinderungen ein individuell selbstbestimmtes Wohnen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vor Ort sowie Zugang zu Ausbildung und Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Parallel zu den Leistungen für Menschen mit Behinderungen müssen gesellschaftliche Veränderungen, vor allem auf dem Wohnungs- und dem Arbeitsmarkt, in Gang gebracht werden.
In der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages fordert die Diakonie Deutschland, dass
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Bund und Länder die Schaffung von inklusivem Wohnraum im Sinne des Bundesteilhabegesetzes und die Konversion von bisherigen Angebotsstrukturen fördern.
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der Bundestag die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention prüft und ggf. nachbessert.
Ein barrierefreier Arbeitsmarkt für alle
Um selbstbestimmt und gleichberechtigt leben zu können, müssen Menschen mit Behinderungen Zugang zu Arbeitsplätzen auf dem Arbeitsmarkt haben. Davon sind wir weit entfernt. Nur knapp die Hälfte der Menschen mit Behinderungen zwischen 15-65 Jahren sind erwerbstätig. Viele Menschen mit Behinderungen arbeiten ganztags und sind doch auf Grundsicherungsleistungen angewiesen.
Aus der Sicht der Diakonie Deutschland ist das mittelfristige Ziel die Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes, in dem Menschen mit Behinderungen dauerhaft Nachteilsausgleiche erhalten und regelhaft in privaten und öffentlichen Unternehmen beschäftigt sind. Von besonderer Bedeutung sind Lohnkostenzuschüsse an die Arbeitgeber sowie die persönliche Arbeitsassistenz. Das Recht auf den Zugang zu Arbeit ist allen Menschen zu gewährleisten, unabhängig von ihrem Unterstützungsbedarf. Das Werkstattsystem und das Werkstattentgeltsystem müssen an den Arbeitsmarkt angenähert werden. Inklusionsbetriebe, die einen hohen Anteil von Menschen mit Behinderungen beschäftigen, sind über das öffentliche Beschaffungswesen zu unterstützen.
Ein großes Anliegen der Diakonie Deutschland ist die bessere Ausbildung von Jugendlichen mit Behinderung. Menschen mit Behinderungen müssen entsprechend ihren Wünschen und Fähigkeiten eine betriebsintegrierte Ausbildung beziehungsweise ein Studium absolvieren können. Sie müssen die hierfür notwendige individuelle Unterstützung (z.B. persönliche Assistenz, Arbeitshilfen, Fahrtkostenerstattung) erhalten. Um den Anteil von Jugendlichen mit Behinderungen an Ausbildungsplätzen zu erhöhen, sollte über eine gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber nachgedacht werden, Ausbildungsplätze mit Menschen mit Behinderungen zu besetzen.
Es sind arbeitsmarkt- und teilhabepolitische Instrumente vorhanden, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Sie sind konsequent als personenzentrierte, individuell bedarfsgerechte Leistungen einzusetzen und weiterzuentwickeln. Die Akteure in der Eingliederungshilfe wie die Arbeitsagenturen sind aufgefordert, die Fördermöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und für Unternehmen aktiver zu nutzen. Essenziell für die erfolgreiche Arbeitsplatzsuche ist die Berücksichtigung der individuellen Bedarfe, Wünsche und Fähigkeiten der Leistungsberechtigten.
Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie Deutschland in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages,
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dass der Übergang von der Werkstattbeschäftigung auf einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch Nachteilsausgleiche armutsfest abgesichert wird.
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dass nicht länger zwischen „werkstattfähigen“ und „nicht werkstattfähigen“ Menschen unterschieden wird. Das „Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ ist als Zugangskriterium aus dem SGB IX zu streichen.
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dass Inklusionsbetriebe durch Investitionsförderungen und die bevorzugte Vergabe von öffentlichen Aufträgen bei Ausschreibungen stärker unterstützt werden.
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dass das Budget für Ausbildung für alle Menschen mit Behinderungen geöffnet wird, indem der leistungsberechtigte Personenkreis über Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen hinaus erweitert wird.
Selbstbestimmt wohnen und leben im Quartier
Menschen mit Behinderungen wollen wohnen und leben wie alle anderen Menschen: selbstbestimmt, möglichst in einer eigenen Wohnung, und ihren Alltag selbst bewältigen. Barrierefreiheit tut not.
Für Menschen mit Behinderungen stellt die Wohnungssuche eine enorme Herausforderung dar. Bestandswohnungen sind größtenteils nicht barrierefrei. Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes zum Wohnen 2019 hat ergeben, dass lediglich zwei Prozent der Wohnungen oder Einfamilienhäuser in Deutschland annähernd barrierefrei sind. Nur jedes zehnte Gebäude lässt sich stufenlos betreten. Der Anteil an Wohnungen (Alt- und Neubau), die die Barrierefreiheit-Standards nach DIN 19040 erfüllen, ist deutlich unterrepräsentiert.
Erschwerend kommt hinzu, dass barrierefreier Wohnraum häufig im oberen Preissegment angesiedelt ist und Menschen mit Behinderungen mit einem oft niedrigen Einkommen (Erwerbsminderungsrente, Grundsicherung und Werkstattlohn) höhere Miet- und Nebenkosten nicht bezahlen können. Menschen mit Behinderungen müssen in gleicher Weise Zugang zu öffentlich geförderten Wohnungsbauprogrammen beziehungsweise Landeswohnraumförderung erhalten. Fördermaßnahmen im investiven Bereich sind eine wesentliche Voraussetzung dafür. Sie laufen allerdings ins Leere, wenn beispielsweise höhere Mieten für barrierefreien beziehungsweise rollstuhlgerechten Wohnraum im Rahmen staatlicher Transferleistungen, wie zum Beispiel existenzsichernde Leistungen nach SGB II / SGB XII, als unangemessen abgelehnt werden.
Wohnviertel müssen inklusiv gestaltet werden, also so, dass nicht nur Wohnungen, sondern auch Geschäfte, Freizeiteinrichtungen, Bushaltestellen und so weiter für alle nutzbar sind. Die barrierefreie Umgestaltung der Quartiere ist im allgemeinen Interesse, weil in sehr unterschiedlichen Lebenslagen Stufen, schlecht beleuchtete Wege und Beschilderungen große Hindernisse darstellen. Dies gilt im Übrigen auch in ideeller Hinsicht, wo es gilt, Vorurteile und Vorbehalte als Barrieren abzubauen. Für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung geht es dabei immer auch um Art, Umfang und Qualität von Assistenz- und Unterstützungsleistungen zur gesellschaftlichen Teilhabe.
Es bedarf länderübergreifend einer regelmäßigen Evaluation und gegebenenfalls Nachjustierung des Umsetzungsstandes der Barrierefreiheit hinsichtlich der Wohnraumförderung (Mietwohnraumförderung, Modernisierungsförderung im Mietwohnungsbestand, Eigentumsförderung, KfW Programm). Dies gilt in gleicher Weise für die vom Bund bezuschusste Umsetzung der Programme der Städtebauförderung, um zu einer Verbesserung der Barrierefreiheit des öffentlichen Raumes, des Wohnraumes und des Wohnumfeldes zu gelangen.
Die Diakonie Deutschland setzt sich in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages dafür ein,
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dass Menschen mit Behinderung die Leistungen zum Wohnen erhalten, die ein Wohnen im Quartier ermöglichen. Menschen mit Behinderungen müssen in gleicher Weise Zugang zu öffentlich geförderten Wohnungsbauprogrammen beziehungsweise Landeswohnraumförderung erhalten.
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dass der Bund mit Ländern und Kommunen die Schaffung barrierefreien Wohnraums voranbringt.
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dass geeignete Maßnahmen zu ergreifen sind, um in der Städtebauförderung eine inklusive, barrierefreie, sozialräumliche Quartiersgestaltung als Querschnittsaufgabe zu verankern und über alle Förderprogramme förderfähig auszugestalten.
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dass städtebauliche Sanierungsmaßnahmen dem Kriterium der Barrierefreiheit verpflichtet sind und entsprechende Änderungen im Baugesetzbuch erfolgen.
Pflegeversicherungsreform
Die Pflegeversicherung soll pflegebedürftige Menschen und ihre Familien zuverlässig absichern und eine am Bedarf der Menschen orientierte Pflege ermöglichen. Deshalb braucht es eine Reform der Pflegeversicherung.
Die bisherige Pflegeversicherung ist eine Teilleistungsversicherung. Sie beteiligt sich grundsätzlich nur an einem Teil der pflegebedingten Kosten. Die Eigenanteile müssen von den Versicherten bezahlt oder von Angehörigen in Form von Pflegearbeit erbracht werden. Jede Qualitätsverbesserung, jede Erhöhung des Personalschlüssels oder jede Vergütungssteigerung erhöhen diese Eigenanteile.
Die Diakonie Deutschland fordert eine Reform der Pflegeversicherung, die sowohl die formelle als auch die informelle Pflege miteinbezieht. Daher schlägt die Diakonie Deutschland vor, die bisherige Pflegeversicherung in eine Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung zu überführen. Damit wird das Risiko der Pflegebedürftigkeit über die Sozialversicherung abgesichert; für die begrenzte Eigenbeteiligung kann privat vorgesorgt werden.
Bei den Versorgungssettings und den Leistungen wird zwischen der vollstationären Pflege und der häuslichen Pflege unterschieden, ein Wechseln zwischen den Settings soll unkompliziert möglich sein.
In der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages setzt sich die Diakonie Deutschland für eine umfassende Pflegereform ein. Die wesentlichen fachpolitischen Forderungen sind:
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die bisherige Pflegeversicherung in eine Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung zu überführen.
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in der häuslichen Pflege ein Pflegesystem einzuführen, das professionelle Unterstützungsangebote deutlich stärkt und die Möglichkeit eröffnet, pflegende Angehörige und andere privat pflegende Personen oder sogenannte Live-Ins zukünftig durch sozialversicherungspflichtige Anstellungsverhältnisse abzusichern.
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die Ausweitung der Finanzbasis durch die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze und die Heranziehung anderer Einkommensarten wie Kapital- und Mieterträge bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung sowie ergänzende Steuerleistungen.
Mehr Personal in der Pflege
Der Fachkräftemangel in der Altenpflege und Krankenpflege gefährdet zunehmend die Versorgungssicherheit. Für die Beschäftigten werden die Belastungen so groß, dass immer mehr den Beruf verlassen.
Auch wenn die Ausbildungszahlen in den Pflegeberufen steigen, gelingt es nicht, ausreichend Pflegekräfte in den ambulanten und stationären Einrichtungen zu beschäftigen. In der laufenden Legislaturperiode haben verschiedene Maßnahmen zu steigenden Ausbildungszahlen in der Alten- und Krankenpflege geführt. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland müsste die Anzahl der Pflegekräfte aber viel mehr steigen. Deshalb ist eine Sicherung des Fachkräftebedarfs langfristig nur durch die Gewinnung internationaler Pflegepersonen möglich.
Die Konzertierte Aktion Pflege hat einen Beitrag zur Unterstützung der Anwerbung von Pflegepersonen aus Drittstaaten geleistet. Die Gewinnung internationaler Pflegepersonen ist aber immer noch mit großen zeitlichen Verzögerungen bei der Abwicklung der Aufenthaltsformalitäten und der Berufsanerkennung verbunden. Hier bedarf es dringend einer Vereinfachung und Beschleunigung des aufwendigen bürokratischen Verfahrens.
Im Sommer 2020 wurde eine wissenschaftliche Studie zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Einrichtungen der stationären Altenhilfe vorgelegt. Sie zeigt, warum höhere Personalschlüssel in den Pflegeeinrichtungen notwendig sind. Die Diakonie Deutschland setzt sich für eine konsequente schrittweise Umsetzung der wissenschaftlichen Studienergebnisse in die Praxis ein.
Die Diakonie Deutschland fordert für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages,
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weitere Maßnahmen für eine Steigerung der Ausbildungszahlen in den Pflegeberufen zu ergreifen.
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Fachkräftemigration zu erleichtern, indem internationale Abschlüsse schneller anerkannt und bürokratische Hürden abgebaut werden.
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das neue Personalbemessungsinstrument in der Altenpflege konsequent umzusetzen und durch entsprechende Konzepte in der ambulanten Pflege zu erweitern.
Angebots- und Dienstleistungsstrukturen der Pflege weiterentwickeln
Die Angebote der Pflegeversicherung reichen nicht aus, um den Bedarf der Betroffenen zu erfüllen. Es fehlen flächendeckende, vernetzte und bedarfsorientierte Pflegeangebote.
Die Angebots- und Dienstleistungsstruktur muss weiterentwickelt werden, um den zukünftig steigenden Pflege- und Betreuungsbedarf abdecken zu können. Die Weiterentwicklung muss den Bedürfnissen von älteren, hilfs- und pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen entsprechen. Des Weiteren gilt es, regional angepasste Lösungen zu finden, ohne die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse aufzugeben. Außerdem sind die Regelungen zum Vertrags- und Vergütungsrecht entsprechend weiterzuentwickeln.
Die Diakonie Deutschland spricht sich für ein System von vernetzten Versorgungsformen aus. Hierbei sind die Hilfe und Pflege durch die Familien und individuelle Netzwerke zu stützen und die Leistungsfähigkeit und Finanzierung der ambulanten Pflegedienste, der Tagepflegeeinrichtungen, Kurzzeitpflegeeinrichtungen und vollstationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern. Vor allem die Angebote der Kurzzeitpflege sollten ausgebaut werden und zuverlässig bei Bedarf zur Verfügung stehen.
Vor diesem Hintergrund sieht die Diakonie Deutschland in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages die nachfolgenden Handlungsbedarfe:
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Pflegebedürftige Menschen müssen eine tatsächliche Wahlfreiheit bei der Wohn- und Pflegeform beziehungsweise beim Hilfearrangement haben.
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Alle Angebotsformen sind quantitativ und qualitativ so auszubauen und leistungsrechtlich auszugestalten, dass sie den unterschiedlichen Bedarfslagen der betroffenen Menschen und ihren informellen Helfersystemen gerecht werden und verfügbar sind. Hierbei müssen regional angepasste Lösungen gefunden werden, ohne die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse aufzugeben.
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Die häusliche Krankenpflege ist zu stärken und weiterzuentwickeln.
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Es muss ein flächendeckendes Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen geschaffen werden, das sich sowohl für eine pflegende Nachsorge nach Krankenhausaufenthalt als auch für die Entlastung pflegender An- und Zugehöriger eignet. Die Finanzierung, insbesondere von solitären Kurzzeitpflegen, muss gewährleistet werden.
Pflegeberufe stärken
Die gerade erst begonnene Umsetzung der generalistischen Pflegeausbildung muss engmaschig evaluiert und nachgebessert werden. Es müssen Beschäftigungsprofile für akademisch ausgebildete Pflegekräfte erarbeitet und entsprechende Stellen geschaffen werden.
Die Diakonie Deutschland spricht sich seit langem dafür aus, dass lebenslange Karrierewege in der Pflege unabdingbar sind. Das steigert die Attraktivität des Berufes und wird als Mittel gegen den Fachkräftemangel betrachtet. Oberstes Ziel im Rahmen der Qualifizierung der Pflegeberufe muss es sein, ein durchgängiges Qualifikationsmodell zu etablieren, das sich am europäischen beziehungsweise deutschen Qualifikationsrahmen orientiert. Das bedeutet, dass ausgehend von einer bundeseinheitlichen geregelten Assistenzqualifikation bis hin zur Promotion alle Bildungswege aufeinander aufbauen.
Die Umsetzung der generalistischen Pflegeausbildung hat im Januar 2020 begonnen und damit ist eine zeitgemäße Ausbildung für die Pflegeberufe realisiert worden. Allerdings beeinträchtigt die im Pflegeberufegesetz vorgesehene Anrechnung der Auszubildenden im zweiten und dritten Ausbildungsjahr auf den Personalschlüssel die Ausbildungsbereitschaft der ambulanten und stationären Altenpflegeeinrichtungen. Die im Gesetz unterstellte Wertschöpfung für die ausbildenden Einrichtungen entspricht nicht der Realität. Die angestrebte Beendigung der wirtschaftlichen Benachteiligung ausbildender Einrichtungen wird so nicht erreicht.
Die Diakonie Deutschland erwartet deshalb von der nächsten Bundesregierung:
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die Tätigkeitsbereiche und das Kompetenzgefüge der Pflegeberufe den veränderten Ausbildungsinhalten anzupassen.
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ein Heilkundegesetz zu entwickeln, das langfristig die Kompetenzen und Befugnisse aller Gesundheitsberufe im Kontext einer interdisziplinären, sektorenübergreifenden Versorgung regelt.
Pflegende Angehörige unterstützen
Die An- und Zugehörigen von pflegebedürftigen Menschen leisten durch ihre informelle Pflegearbeit einen entscheidenden Beitrag zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung in Deutschland. Sie brauchen eine deutlich bessere Anerkennung und Unterstützung sowie finanzielle Sicherheiten.
Die Diakonie Deutschland fordert eine bessere Begleitung und Unterstützung von pflegenden Angehörigen, um die familiale Pflegebereitschaft zu erhalten und um Menschen zu ermutigen, die Verantwortung für familiale Pflegeaufgaben zu übernehmen. Hierzu gehören – neben dem Ausbau der Angebots- und Dienstleistungsstruktur sowie der Pflegeberatung, den Leistungsverbesserungen/-flexibilisierungen und den Lohnersatzleistungen – verbesserte Rentenversicherungsansprüche. Aber auch ein Anspruch auf ein flächendeckendes Angebot an bedarfsgerechten Pflegekursen sowie an individuellen Anleitungen/Schulungen für pflegende Angehörige in der Häuslichkeit sind wichtige Aspekte.
Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie Deutschland in der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages,
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die rentenrechtliche Absicherung von pflegenden Angehörigen weiter zu verbessern, und zwar auch dann, wenn sie Pflegesachleistungen oder Kombinationsleistungen in Anspruch nehmen.
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eine Lohnersatzleistung analog zum Elterngeld bei der Pflegezeit beziehungsweise Familienpflegezeit einzuführen.
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den flächendeckenden Anspruch pflegender Angehöriger auf bedarfsgerechte Pflegekurse und individuelle Anleitungen in der Häuslichkeit durch ambulante Pflegedienste gesetzlich zu verankern, und zwar durch einen Kontrahierungszwang der Pflegekassen mit den ambulanten Pflegediensten.
Einer der vordringlichsten Wünsche jedes Menschen ist es, nicht alleine sterben zu müssen. Sterbebegleitung ist an allen Orten wichtig, wo Menschen ihre letzte Lebenszeit verbringen. Deshalb ist die Sicherstellung guter Hospizarbeit und palliativer Versorgung im ambulanten Bereich ebenso wichtig wie in stationären Pflegeeinrichtungen und Hospizen.
Im Zentrum jeglicher Hospiz- und Palliativarbeit liegt die Sorge, Menschen ein Lebensende eingebettet in einen psychosozialen, seelsorgerischen und medizinisch-pflegerischen Zusammenhang zu ermöglichen. Durch die Corona-Pandemie ist die Zahl derer, die allein verstorben sind, wieder gestiegen. Angesichts dieser bedrückenden Situation muss die Begleitung sterbender Menschen verstärkt werden.
Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen leiden nicht nur körperlich. Sie leiden auch an den psychischen, sozialen und seelischen Folgen ihrer Krankheit. Um der Komplexität des Schmerzes („total pain“) auch im Rahmen der häuslichen Versorgung gerecht zu werden, muss das Leistungsspektrum der ambulanten Palliativdienste um die psychosoziale Dimension erweitert werden. Gleichzeitig muss es Angebote geben, die kranke und gesunde Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie weitere vulnerable Personenkreise in ihrer palliativen Gesundheitskompetenz stärken und im Sinne eines „Advanced Care Planning“ darin unterstützen, die beste Entscheidung für ihr Leben und ihre gesundheitliche Versorgung zu treffen. Ziel der oben genannten Maßnahmen ist es, Betroffene zu befähigen, angesichts schwerer Krankheit neue Perspektiven zu entwickeln und auch den Wert eines gebrechlichen Lebens schätzen zu lernen.
Viele hochbetagte Menschen verbringen ihre letzte Lebenszeit in einer stationären Pflegeeinrichtung. Deshalb muss auch hier das Lebensende personenbezogen gestaltet werden – von einem Team, das die vier Dimensionen der Menschlichkeit (körperlich-psychisch-sozial-spirituell) abdeckt. Betroffene müssen darauf vertrauen können, dass auch in Pflegeheimen ein würdevolles Sterben möglich ist.
Stationäre Hospize sind darauf spezialisiert, Menschen am Lebensende aufzunehmen, bei denen eine Linderung der Symptome an ihrem bisherigen Wohnort nicht erreicht werden konnte. Ihre besondere Qualität und Funktion innerhalb der hospizlich-palliativen Versorgungslandschaft muss gesichert und um den Aspekt einer inklusiven Ausrichtung erweitert werden. Der besondere Charakter der hospizlichen Haltung muss erhalten bleiben, damit stationäre Hospize für Betroffene die Qualität eines Sterbens wie in der eigenen Häuslichkeit ermöglichen können.
In der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages wird sich die Diakonie Deutschland dafür einsetzen,
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dass die spezialisierten ambulanten Palliativdienste auch psychosoziale Fachkräfte beschäftigen müssen und diese von den Krankenkassen finanziert werden.
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dass die ehrenamtliche Säule der Hospizarbeit gefördert wird, damit sie ihren wachsenden Aufgaben gerecht werden kann.
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dass die hospizliche Kultur und die Palliativversorgung in Einrichtungen der stationären Altenpflege flächendeckend verwirklicht werden. Eine wichtige Grundlage hierfür ist die Personalausstattung.
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dass die mit den Krankenkassen zu vereinbarende Qualitätssicherung in den stationären Hospizen den Werten der Hospizbewegung verpflichtet ist.
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dass es Beratungsangebote für die gesundheitliche Vorausplanung am Lebensende für alle Menschen mit lebensverkürzenden Erkrankungen als Leistung der Krankenkassen gibt.
Die Forderungen zum Herunterladen und weitere Informationen
Ansprechpartner und Ansprechpartnerin

Dr. Peter Bartmann
Leitung Zentrum Gesundheit, Rehabilitation und Pflege
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