Klimaschutz ermöglichen und sozial gestalten!

Um die Erderwärmung durch den menschen­gemachten Klimawandel im Einklang mit dem Pariser Abkommen auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, fordert die Diakonie Deutschland die Bundesregierung zu entschiedenem Handeln auf. Sie begrüßt die vorgeschlagene Verschärfung des Klima­schutz­gesetzes im Nachgang zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.04.2021.

Illustration aus Menschen, die einen Globus in der Hand halten
© Diakonie/Francesco Ciccolella

Um die Erderwärmung durch den menschen­gemachten Klimawandel im Einklang mit dem Pariser Abkommen auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, fordert die Diakonie Deutschland die Bundesregierung zu entschiedenem Handeln auf.

Die notwendigen ambitionierten Maßnahmen müssen jedoch von sozialen Ausgleichsmechanismen flankiert werden, damit sie nicht zu Lasten von Menschen gehen, die in Armut leben. Dies betrifft insbesondere die CO2-Bepreisung und die Klimakomponente beim Wohngeld.

Gleichzeitig benötigen diakonische Unternehmen und Einrichtungen angemessene Rahmenbedingungen, damit sie selbst ambitionierte Maßnahmen zum Klimaschutz durchführen und sich an die Folgen des Klimawandels anpassen können. Dabei sind sowohl die in den Sozial­gesetzbüchern festgeschriebenen Refinanzierungsbedingungen als auch die Förderprogramme entsprechend auszugestalten.

Mit Blick auf Menschen, die von Armut betroffen sind, fordert die Diakonie Deutschland:

  • Aus der CO2-Bepreisung des Öl- und Gasverbrauchs von Wohnungen dürfen Haushalten mit geringen Einkommen keine gravierenden Belastungen erwachsen – zumal gerade sie statistisch gesehen einen deutlich kleineren CO2-Fußabdruck haben als Haushalte mit mehr finanziellen Mitteln. Auch teilweise Kostenbeteiligungen dürfen die Mieter*innen nicht überfordern. Insbesondere Mieter*innen mit geringen Einkommen müssen effektiv vor Verdrängungsprozessen geschützt werden, die sich aus den Folgekosten klimapolitisch notwendiger Sanierungsmaßnahmen ergeben.
  • Bei der CO2-Bepreisung von Produkten und Dienst­­leistungen muss sichergestellt sein, dass bei geringerem Konsum ausreichende Freigrenzen gelten. So ist es unter Umständen umweltschädlicher, wenn Haushalte mit hohen Einkommen viele A3+-Geräte betreiben, als wenn einkommensarme Haushalte wenige Geräte mit schlechterer Energiebilanz anschaffen oder betreiben. Ebenso ist es ein Unterschied, ob ein Haushalt aus­nahmsweise eine Pauschalreise mit Flugzeug unternimmt oder Geschäftsreisende in Deutschland als Vielflieger*innen unterwegs sind.
  • Die Ausgestaltung existenzsichernder Hilfen muss auch die umwelt­politischen Folgen sowie die Folgen für globale Lieferketten in den Blick nehmen. So führt zum Beispiel ein zu geringer Regelsatz in der Grund­sicherung dazu, dass die Marktmacht von bis zu acht Millionen Transfer­leistungsbeziehenden von diesen ausschließlich im Bereich von Dumpingpreisen für Produkte und Dienstleistungen mit ent­sprechen­­­den Umwelt- und sozialen Folgen einge­setzt werden kann. Gelten bei der von den Leistungsträgern finanzierten Anschaffung von Elektro-Großgeräten einfache Preisgünstigkeits­vorschriften, so können keine Geräte mit günstiger Klimabilanz angeschafft werden. Ist bei Strom und Gas die Wahl des billigsten Anbieters verpflichtend, wird eine Chance auf Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien vertan. Führt die energetische Sanierung von Wohnraum zu Kosten­steigerungen, darf dies nicht zur Folge haben, dass Leistungs­berechtigte zur Kostensenkung zum Umzug aufgefordert werden.
  • Die Einführung der Klimakomponente beim Wohngeld war prinzipiell positiv und sollte fortgeführt werden. Da sie in Abhängigkeit von der Haushaltsgröße pauschali­siert war, muss aber überprüft werden, inwiefern es dennoch zu Mehrbelastungen der Wohngeld­empfänger*innen gekommen ist. In diesem Fall – und im Falle einer höheren CO2-Bepreisung – müssten die Komponente bzw. das Wohngeld entsprechend erhöht werden.
  • Zudem müssen Wohngeldempfänger*innen bei den Heizkosten entlastet werden, damit sie auch Wohnungen mit höheren Energie­standards anmieten können bzw. Wohnungen nach energetischen Sanierungen behalten können. Denn Wohnungen mit höheren Energie­standards weisen meist höhere Nettokaltmieten auf, die die Höchstbeträge beim Wohngeld übersteigen.
  • Die CO2-Bepreisung von Kraftfahrzeugen, die auf dem Land häufig die einzige Fortbewegungsmöglichkeit sind, darf nicht dazu führen, dass die Mobilität von Menschen mit geringen Einkommen einge­schränkt wird. Der Öffentliche Personennahverkehr muss flächen­deckend für alle Menschen deutlich ausgebaut und kostengünstig oder kostenlos zugänglich sein.
  • Die Diakonie Deutschland setzt sich für ökologische Verkehrs­konzepte mit einer sozialen Dimension ein. So dient der ÖPNV-Ausbau Haushalten, die sich kein Auto leisten können, auch als wichtiger Beitrag zur sozialen Infrastruktur. Der Ausbau von Radwegenetzen und dem Sharing von Verkehrsmitteln ermöglicht es, auch mit geringen finanziellen Mitteln besser mobil zu sein.

Mit Blick auf Klimaschutz- und Klimaanpassungsaktivitäten diakonischer Einrichtungen fordert die Diakonie Deutschland:

  • ­Nachhaltigkeit muss neben Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit als gleichrangiges Kriterium in den Sozialgesetzbüchern verankert werden. Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsaktivitäten dürfen nicht zum Wettbewerbsnachteil geraten.
  • In die regulären Personalschlüssel müssen auch Personalkapazitäten aufgenommen werden, damit Nachhaltigkeitskonzepte entwickelt, umgesetzt und gesteuert werden können.
  • Gerade im Bereich „Immobilien“ muss es möglich sein, klima­freund­liche Investitionen zu tätigen. Bislang gibt es häufig keinerlei Anreize, energiesparend zu wirtschaften. Es ist bisher leichter, hohe Energie­kosten anerkannt zu bekommen als hohe Investitionen in Technik, durch die der Energieverbrauch maßgeblich reduziert wird.
  • Der Bund sollte zudem mit den Ländern in den Austausch zu diesem Thema gehen: Die diakonischen Unternehmen bauen heute Gebäude mit einer langjährigen Nutzungszeit und dürfen sie nicht klimaneutral bauen, weil der Kostendeckel der Landesförderung das nicht hergibt.
  • Die Vertragsparteien der Landesrahmenverträge könnten verpflichtet werden, Klimaschutzziele bzw. -maßnahmen in die Rahmenverträge bzw. die darauf basierenden Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen aufzunehmen. In der Folge wäre die Refinanzierbarkeit gegeben.
  • Aber auch im Bereich der Beschaffung reichen die Regelsätze häufig nicht aus, um nachhaltige, klimaschonende Alternativen einzusetzen. Im Zuge des Ausbaus der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung sollten auch Dienstleistungen, die von öffentlichen Stellen ausge­schrieben werden, befähigt werden, selbst nachhaltig zu beschaffen.
  • Im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative sollten für alle Leistungsbereiche der Freien Wohlfahrtspflege kurzfristig Förder­möglichkeiten aufgesetzt werden, die denen der „Kommunalrichtlinie“ voll und ganz entsprechen. Mithilfe der Kommunalrichtlinie ist es bislang nur für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie für Werkstätten für behinderte Menschen möglich, zum Beispiel Stellen für Klimaschutz­manager*innen zu beantragen. Allen anderen Fachbereichen stehen diese Möglichkeiten noch nicht zur Verfügung, obwohl die Freie Wohlfahrtspflege in allen Hilfefeldern gemäß dem Subsidiaritäts­prinzip öffentliche Daseinsvorsorge zur Entlastung des Staates betreibt und öffentliche Infrastruktur vorhält. Insofern sollte sie in die Kommunalrichtlinie integriert werden.
  • Darüber hinaus sollten genügend Mittel bereitgestellt werden, um die Förderprogramme des Bundes „Sozial & Mobil“ sowie „Klima­anpassung in sozialen Einrichtungen“ zu den Konditionen, die in den Richtlinien bei ihrer Veröffentlichung im Herbst 2020 genannt wurden, fortzuführen – auch über die bislang gesetzten Laufzeiten hinaus.

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Nachhaltigkeit

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Michael David

Referatsleitung Soziales

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