Bundeshaushalt 2024

Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf!

© Francesco Ciccolella

Der Beschluss der Bundesregierung zum Haushaltsentwurf 2024 sieht dramatische Kürzungen im sozialen Sektor vor. Aus Sicht der Diakonie Deutschland sind Kürzungen quer durch alle sozialen Bereiche sowie mangelnde Investitionen in den Sozialstaat sozialpolitisch und ökonomisch kurzsichtig. Denn wer in Zeiten großer Unsicherheit und gesellschaftlicher Umbrüche nicht in Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit sowie in eine stabile soziale Infrastruktur investiert, wird später ungleich höhere Summen für die Lösung der sozialen Folgeprobleme aufwenden müssen.

Stabilitätsanker in Krisenzeiten

In diesen Zeiten multipler Krisen erweist sich eine zuverlässige soziale Infrastruktur als Stabilitäts- und Hoffnungsanker. Die Diakonie erlebt dies täglich in ihren Einrichtungen: Verunsicherung und Not wachsen. Bereits heute gibt es für viele Unterstützungsangebote wie die Schuldnerberatung, allgemeine Sozialberatung oder Familienberatung immer längere Wartezeiten. Die höchste Zuwanderung seit 70 Jahren erfordert zudem zusätzliche Beratungs- und Hilfsangebote für Migrant:innen. Ältere und pflegebedürftige Menschen werden durch die steigenden Pflegekosten immer stärker belastet und sind auf Sozialhilfe angewiesen. Kurzum: Armut und soziale Ungleichheit nehmen zu und erreichen zunehmend die Mittelschicht.

Der Fachkräftemangel in den sozialen Berufen erschwert die Situation zusätzlich. In dieser Situation die öffentliche Finanzierung von wichtigen Angeboten herunterzufahren, verschärft die Krise und gefährdet in Jahrzehnten aufgebaute Unterstützungsstrukturen.

Eine Haushaltspolitik, die auf kurzfristige Sparerfolge in den sozialen Bereichen setzt, ignoriert außerdem die erklärten Ziele der Koalition. Die Sozialwirtschaft ist in besonderer Weise durch den demografischen Wandel herausgefordert und benötigt dringend Fach- und Arbeitskräfte. Für den Freiwilligendienst als Bildungs- und Orientierungsjahr interessieren sich nach wie vor viele junge Menschen. Rund zwei Drittel dieser jungen Menschen bleiben nach ihrem Freiwilligendienst weiterhin dem sozialen Bereich verbunden und etwa 40 % entscheiden sich nach dieser Erfahrung für eine Ausbildung im Sozial- und Gesundheitsbereich. Dort – wie geplant – zu kürzen, schwächt die Handlungsfähigkeit im Sozialsektor und konterkariert alle Bemühungen, die Attraktivität der sozialen und pflegerischen Berufe erlebbar zu machen und zu stärken.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist gefährdet

Innere Widersprüche ziehen sich auch durch andere Kürzungsvorschläge. So führt eine rasche Integration von Migrant:innen in den Arbeitsmarkt zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungen. Bei der Migrationsberatung und den Jugendmigrationsdiensten zu kürzen, ist deshalb auch arbeitsmarktpolitisch kurzsichtig. Eine Sparpolitik mit kurzem Atem belastet die zukünftige Generation mit unverhältnismäßig höheren Folgekosten und gefährdet zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Darum gilt: Wer heute kürzt, zahlt morgen drauf.

Eine kluge und nachhaltige Politik stärkt in der Krise die Hilfs- und Unterstützungsangebote über Zukunftsinvestitionen und schafft damit Vertrauen und Zuversicht für alle gesellschaftlichen Gruppen. Es geht darum, für alle Menschen ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben zu ermöglichen und sie dadurch unabhängiger von staatlichen Leistungen zu machen. Ein wichtiger Beitrag dazu ist die Einführung einer existenzsichernden Kindergrundsicherung, die tatsächlich allen Kindern zu guten Startchancen verhilft – unabhängig vom Einkommen und vom erreichten Bildungsniveau ihrer Eltern. Hier wird auch in die dringend gesuchten Fachkräfte von morgen investiert.

Eine chancenorientierte Politik ist sozial und ökonomisch sinnvoll. Im Bundeshaushalt braucht es mehr Mittel, die Menschen aus Armut holen, den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken und die Menschen motivieren, sich als hauptamtliche Fach- und Arbeitskräfte oder als freiwillig Engagierte in die soziale Arbeit einzubringen.

Bundeshaushalt muss nachgebessert werden

Mit ihrem Haushaltsentwurf schlägt die Bundesregierung bisher eine andere Richtung ein. Die aktuellen Sparpläne und mangelnden Investitionen in die soziale Infrastruktur verstetigen die sozialen Probleme oder vergrößern diese sogar. In Zukunft werden Staat und Steuerzahler deshalb mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um soziale Probleme zu lösen, die sich durch eine zukunfts- und chancenorientierte Sozialpolitik vermeiden ließen.

Die Diakonie appelliert daher dringend an den Bundestag und Bundesrat, den Haushaltsentwurf der Bundesregierung im parlamentarischen Verfahren entsprechend nachzubessern.

Die Auswirkungen und notwendigen Veränderungen in den einzelnen Bereichen

Die Aufgaben der Jobcenter sind in Folge der Pandemie und der Betreuung ukrainischer Geflüchteter anspruchsvoller geworden. Mit der Bürgergeldreform wurde zudem ein Paradigmenwechsel versprochen: Erwerbslose sollten besser beraten, gefördert und nachhaltig in Arbeit integriert werden. Dafür braucht es eine adäquate Ausstattung der Jobcenter im Bundeshaushalt.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Die Finanzierung der Verwaltungskosten der Jobcenter und die Mittel für die Eingliederung in Arbeit von Erwerbslosen werden deutlich gekürzt. Insgesamt stehen € 500 Millionen weniger zur Verfügung als 2023 (Ressort: BMAS; Eingliederung in Arbeit inklusive Ausgabenreste anderer Ressorts: 2023: € 5,0 Milliarden, 2024: € 4,8 Milliarden; Verwaltungskosten für die Grundsicherung für Arbeitsuchende: 2023: € 5,25 Milliarden, 2024: € 5,05 Milliarden; keine zusätzliche Aufstockung für die Betreuung Geflüchteter um € 100 Millionen wie noch im Jahr 2023).

Welche Wirkung hat das?

Die Förderung von beruflicher Weiterbildung und Integration in Arbeit wird nicht wirksam umgesetzt werden können. Besonders betroffen sind die Förderungen, mit denen eine nachhaltige Integration von Menschen, die bereits lange Leistungen des Jobcenters beziehen erreicht werden soll. Gerade erst hat die Bundesregierung diese Leistungen (unter anderem § 16i SGB II) mit großen Plänen entfristet. Jetzt fehlt das Geld, das Versprochene umzusetzen. Das gilt auch für alle neuen Integrationsmaßnahmen, die mit dem Bürgergeld versprochen wurden: Fortbildungen und besseres Coaching sind dadurch nur vereinzelt umsetzbar.

Geld das heute nicht in die nachhaltige Arbeitsmarktintegration der Bürgergeldbeziehenden investiert wird, finanzieren die Steuerzahler:innen später in Form von verfestigter Langzeitarbeitslosigkeit und Langzeitleistungsbezug.

Was ist notwendig?

Die Bedarfe der Jobcenter in der Eingliederung Erwerbsloser müssen im Haushalt abgebildet werden. Die Kürzungen dürfen nicht beschlossen werden.

Familienerholung ist ein wichtiger Baustein in der Förderung von Kinder, Jugendlichen und Familien. Die Erfahrungen des Programms „Corona-Auszeit für Familien“ zeigen wie dringend nötig und unverzichtbar diese familienpolitische Leistung gerade für Familien mit niedrigen Einkommen ist.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Die Zuschüsse zum Bau, zur Modernisierung sowie für Sanierungsmaßnahmen und zur Einrichtung von Familienferienstätten werden um € 1,675 Millionen auf € 125.000 gekürzt (Ressort: BMFSFJ; 2023: € 1,8 Millionen, 2024: € 125.000).

Welche Wirkung hat das?

Der Grundsatz der Drittelfinanzierung zwischen Bund, Ländern sowie den jeweiligen Trägern könnte nicht mehr erfüllt werden, es ergibt sich durch die Bundeszuschuss-Kürzung ein Domino-Effekt (zu wenige Bundesmittel ergeben auch weniger Landesmittel etc.). Gesetzliche Umwelt-Standards können so mangels Mittelausstattung schwerer umgesetzt werden (Beispiel: Heizungstausch).

Die fachliche Begleitung und die qualitative Weiterentwicklung der gemeinnützigen Familienerholung kann nicht mehr aufrechterhalten werden.

Weitere gemeinnützige Familienferienstätten können im System der Kinder- und Jugendhilfe verloren gehen.

Was ist notwendig?

Die Familienferienstätten benötigen auch im Jahr 2024 ausreichend Mittel, darum müssen mindestens gleich hohe Förderungen zur Verfügung stehen wie 2023.

Wohlfahrtsverbände sind existentiell wichtige Säulen des Sozialstaats. Die Freie Wohlfahrtspflege ist Garant der sozialen Infrastruktur und hat sich als Stabilisator in den letzten Krisen sehr bewährt.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Neben Kürzungen in den Unterstützungsleistungen im Bereich der Integration und Migration wird ca. € 1 Million für globale Leistungen und Fortbildungen in der Wohlfahrtspflege gekürzt.

€ 3,5 Millionen für den Bereich der Digitalisierung in Wohlfahrtsverbänden werden komplett gestrichen. (Ressort: BMFSFJ; Gesamt: 2023: € 31,9 Millionen; 2024: € 27,1 Millionen).

Welche Wirkung hat das?

Die Wohlfahrtsverbände, so auch die Diakonie, müssen ihre stetigen Sparbemühungen weiter intensivieren. Tarifsteigerungen und Inflations-Auswirkungen müssen über den vermehrten Einsatz von Eigenmitteln finanziert werden.

Insgesamt werden dadurch Ressourcen gebunden und gesellschaftliche Herausforderungen schwerer zu lösen.

Die Einsparungen lassen auch den Respekt der Bundesregierung gegenüber den Leistungen der Wohlfahrtsverbände vermissen.

Was ist notwendig?

Die Zuwendungen an die Wohlfahrtsverbände erfordern eine Dynamisierung, keine Kürzungen.

Die Freiwilligendienste leisten in den Bereichen der Persönlichkeitsentwicklung, der Demokratiebildung sowie dem Einblick in Berufsfelder der sozialen Arbeit einen wichtigen Beitrag. Bislang absolvieren jährlich rund 100.000 Menschen einen Freiwilligendienst. Das sind mehr als zehn Prozent eines Jahrgangs der Schulabsolvent:innen. Die Einsatzstellen und Trägerorganisationen bieten den Freiwilligen eine hochwertige pädagogische Begleitung.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Die Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) und des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) soll 2024 um insgesamt € 78 Millionen und 2025 um weitere € 35 Millionen gekürzt werden (Ressort: BMFSFJ; 2023: € 328 Millionen; 2024: € 250 Millionen; 2025: € 215 Millionen).

Dies steht in diametralem Gegensatz zu dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben „die Freiwilligendienste nachfragegerecht auszubauen“.

Welche Wirkung hat das?

Die Freiwilligendienste könnten nicht mehr in der gewohnten Form umgesetzt werden. Die Träger und Einsatzstellen würden vor Herausforderungen stehen, in deren Konsequenz jede vierte Einsatzstelle wegfallen und pädagogische Fachkräfte zur Begleitung der Freiwilligen gekündigt würden. Vielerorts könnten Freiwilligendienste in Zukunft nicht mehr angeboten werden.

Eine Einschränkung der Freiwilligendienste als persönliche Erprobungszeit in sozialen Arbeitsfeldern würden den bereits vorhandenen Fachkräftemangel weiter verschärfen: denn rund zwei Drittel der Menschen bleiben nach ihrem Freiwilligendienst auch weiterhin dem sozialen Bereich verbunden.

Was ist notwendig?

Diese im Haushaltsentwurf vorgelegte Kürzung darf keinesfalls beschlossen werden.

Umgekehrt wäre eine Aufstockung der Mittel und mehr Unterstützung der Freiwilligen notwendig, zum Beispiel kostenlose Nutzung von ÖPNV oder Anerkennung von Freiwilligendienstzeiten als Vorbereitung von Studium oder Ausbildung.

Im Jahr 2022 haben die Jugendmigrationsdienste (JMD) über 120.000 junge Menschen aus 180 Nationen mit individueller Unterstützung und Gruppenangeboten unter intensiver Vernetzung mit Schulen, Ausbildungsbetrieben, Integrations-kursträgern und Einrichtungen der Jugendhilfe begleitet und beraten.

Das Programm Respekt Coaches (RC) ergänzt die JMD-Arbeit um Demokratiebildung und Extremismus-Prävention an Schulen. Über 400 Fachkräfte begleiten Jugendliche an rund 600 Schulen bundesweit. 2022 nahmen rund 160.000 junge Menschen an 3.800 Gruppenangeboten teil.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Bei den Jugendmigrationsdiensten soll mehr als ein Drittel der Mittel gekürzt werden (Ressort: BMFSFJ; 2023: € 99,85 Millionen, 2024: € 63,8 Millionen).

Welche Wirkung hat das?

Integrationsleistungen für junge Menschen werden massiv beschnitten und der soziale Zusammenhalt wird weiter gefährdet. Folgekosten aufgrund mangelnder Integration entstehen.

Viele Fachkräfte würden ihre Arbeitsverhältnisse aufgrund der vorhersehbaren Arbeitsbelastung, aufgrund auslaufender Förderung und mangels Zukunfts-Sicherheit vorzeitig beenden. Damit einher ginge der Verlust von wichtigem Expert:innenwissen, sowie von aufgebautem Vertrauensverhältnis zu den Schulen.

Aufgrund der angekündigten Kürzungen muss die Arbeit der Respekt Coaches zum Jahresende 2023 eingestellt werden. Eine geordnete Abwicklung des Programms Respekt-Coaches und gleichzeitig eine Aufrechterhaltung eines qualitativen Regelbetriebes der Jugendmigrationsdienste ist dadurch nicht möglich.

Was ist notwendig?

Für die Ausstattung der Jugendmigrationsdienste muss mindestens die Summe bereitgestellt werden, die im Jahr 2023 zur Verfügung steht (€ 68,85 Millionen).

Darüber hinaus müssen den Jugendmigrationsdiensten mindestens € 10 Millionen zur Verfügung gestellt werden. Diese sind notwendig um Demokratiebildung an Schulen, die weiter steigende Anzahl von Beratungsfällen und zusätzliche Aufgaben, die unter anderem durch das Chancenaufenthaltsgesetz und das Fachkräfte-einwanderungsgesetz entstehen, bewältigen zu können.

Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut. Die betroffenen Kinder haben keinen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und zu Freizeitaktivitäten, weisen nicht selten gesundheitliche Defizite auf und leben oft in sehr beengten Wohnverhältnissen. Diese Lebensumstände bestimmen auch ihre Entwicklung. Eine Kindergrundsicherung würde Armut wirksam bekämpfen und allen Kindern gleiche Chancen geben.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Es sind momentan € 2 Milliarden für die Kindergrund-sicherung vorgesehen. Diese Summe liegt weit hinter den vom BMFSFJ geplanten € 12 Milliarden.

Nach Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs werden die möglichen Ausgaben konkretisiert.

Welche Wirkung hat das?

Würde die Summe nicht deutlich erhöht werden, ist eine Kindergrundsicherung zu erwarten, die ihrem Namen nicht gerecht wird. Kinderarmut würde auf hohem Niveau weiter ansteigen, die Folgekosten sind enorm.

Was ist notwendig?

Mindestens € 20 Milliarden, um folgende grundlegende Elemente einer armutsbekämpfenden Kindergrundsicherung zu erfüllen:

  • eine an den realistischen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen orientierte Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums
  • eine gemeinsame Leistung für alle Kinder
  • eine automatisierte Auszahlung, die alle Kinder ohne weitere Hürden erreicht

Die Notwendigkeit einer guten, sozialen Infrastruktur ist deutlicher denn je. Mehrgenerationenhäuser sind Begegnungsorte für alle Menschen jeden Alters. Diese besondere Willkommenskultur lädt die Menschen ein, zu bleiben und sich im Idealfall für die Gesellschaft zu engagieren. Mehrgenerationenhäuser sind also Orte der Demokratie und bieten verlässliche Strukturen im sozialen Nahraum für alle.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Die Mittel werden um rund € 1 Million gekürzt. Der aktuelle mögliche Zuschuss für ein Mehrgenerationenhaus in der Höhe von € 40.000 pro Jahr wird auf € 38.000 reduziert (Ressort: BMFSFJ; 2023: € 22,95 Millionen, 2024: € 21,75 Millionen).

Welche Wirkung hat das?

Mehrgenerationenhäuser müssen sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wo gestrichen werden soll: bei Kindern, Jugendlichen und Familien, die noch immer mit den Folgen der Pandemie kämpfen; bei den Menschen, die sich integrieren möchten; oder bei einsamen, älteren Menschen.

Die Folgekosten für die aus den Kürzungen resultierenden Maßnahmen werden dann deutlich höher sein.

Was ist notwendig?

Eine langfristig abgesicherte Finanzierung, die es ermöglicht, die integrativen und präventiven Angebote der Mehrgenerationenhäuser aufrecht zu erhalten. Zumindest dürfen aber keine Kürzungen vorgenommen werden.

Deutschland erlebt momentan die höchste Zuwanderung seit 70 Jahren. Alleine 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine sind nach Deutschland geflohen. Um hier gut anzukommen und die Gesellschaft bereichern zu können, benötigt es Unterstützung und Beratung von Migrant:innen und Asylsuchenden in allen Bereichen der Integration.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Für die Migrationsberatung erwachsener Zuwandernder sollen € 24 Millionen weniger zur Verfügung gestellt werden als im Jahr 2023. Dies entspricht fast einem Drittel der bisherigen Förderung (Ressort: BMI; 2023: € 81,5 Millionen, 2024: € 57,5 Millionen).

In der Unterstützung und Therapie psychisch belasteter bzw. traumatisierter Geflüchteter werden € 10 Millionen gekürzt und damit mehr als die Hälfte (Ressort: BMFSFJ; 2023: € 17,5 Millionen, 2024: € 7,1 Millionen).

Die Mittel für das Mitte 2023 gestartete Bundesprogramm Asylverfahrensberatung werden nicht erhöht, obwohl das Angebot in 2024 für ein ganzes Jahr zu finanzieren ist (Ressort: BMI; € 20 Millionen).

Welche Wirkung hat das?

  • weniger Integrationsmöglichkeiten in Bildung, Arbeit und Gesellschaft
  • negative Folgekosten (unter anderem Auswirkungen auf Abschluss von Sprachkursen, Sozialleistungsquote)
  • Wegfall der teils einzigen Integrationsangebote in strukturschwachen und ländlichen Regionen
  • Gefahr einer Polarisierung der Gesellschaft und des Erstarkens von migrationsfeindlichen Parteien
  • Abbruch von Psychotherapien (und dadurch erhöhte Selbst- bzw. Fremdgefährdung der bzw. durch zu behandelte/n Menschen)
  • Gefährdung des neu aufgelegten Bundesprogrammes Asylverfahrensberatung zur Unterstützung der Qualität, Rechtsstaatlichkeit und Effizienz im Asylverfahren
  • Radikaler Abbau von Angebotsstrukturen: Stellenabbau und Schließung von Beratungsstellen, Insolvenzgefährdung von Trägern
  • Verstärkung des Fachkräftemangels

Was ist notwendig?

Die vorgesehenen Kürzungen dürfen nicht beschlossen werden. Eine Bereitstellung zusätzlicher Mittel in der Höhe von insgesamt € 54 Millionen ist notwendig.

Ergänzend zu den bereits bestehenden eigenen Angeboten haben die Verbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) sowie dem Bund der Vertriebenen (BdV) eine neue Website zur Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte erarbeitet. Ab dem 09. August ist die Seite unter migrationsberatung.org zu erreichen.

Weitere Informationen finden Sie unter https://www.diakonie-wissen.de/web/extranet-diakonie-deutschland/flucht-und-migration/-/asset_publisher/uWDxD48h0SkH/blog/migrationsberatung-jetzt-auch-online.

Eine grundlegende Pflegereform ist nötig. Wir brauchen eine Finanzierung der Pflegeleistungen, mit der die Pflegeversicherung wieder ihrer Funktion gerecht wird und was sich die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht: eine starke und solidarische Pflegeversicherung, die die wesentlichen Pflegekosten übernimmt. Im gerade in Kraft getretenen PUEG fehlen diese Reformansätze gänzlich.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Da eine grundlegende Reform nicht vorgesehen ist, fehlt eine entsprechende Finanzierung. Zusätzlich wird nun aber auch die pauschale Beteiligung des Bundes an den Aufwendungen der sozialen Pflegeversicherung um € 1 Milliarde gekürzt (Ressort: BMG; 2023: € 1 Milliarde; 2024: € 0).

Welche Wirkung hat das?

Durch die Kürzung müssen mehr Leistungen über die Pflegeversicherung finanziert werden. Eine nachhaltige Pflegefinanzierung wird weiter erschwert. So riskieren wir, dass Pflegebedürftige nicht mehr professionell versorgt werden können, Pflegekräfte ihren Job kündigen und pflegende Angehörige erschöpft aufgeben müssen.

Was ist notwendig?

Wir brauchen eine andere Finanzierung der Pflege in Form einer Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung.

Kurzfristig benötigen wir aber im Haushalt 2024 zumindest eine über Steuermittel finanzierte Übernahme von € 5,3 Milliarden pandemiebedingter Kosten sowie € 3,7 Milliarden für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Finanzierung der Rentenbeiträge pflegender Angehöriger. Bisher werden diese Mittel durch die Pflegekassen getragen und belasten das Pflegesystem damit sehr.

                         

Die Vorsorge- und Rehabilitationskliniken für Mütter und Väter leisten einen wichtigen Beitrag für Gesundheit und Teilhabe. Sie arbeiten zusammen mit den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände. Diese sind erste Anlaufstellen für Mütter, die Kuren oder Mutter-Kind-Kuren benötigen.

Was steht dazu im Entwurf des Bundeshaushalts 2024?

Zuschüsse für Bauvorhaben und zukunftsweisende Investitionen überregionaler Einrichtungen des Müttergenesungswerks werden um € 5,2 Millionen gekürzt (Ressort: BMFSFJ; 2023: € 5,6 Millionen; 2024: € 400.000).

Welche Wirkung hat das?

Die Infrastruktur der Einrichtungen kann nicht zeitgemäß ausgebaut werden, da Ausbaumaßnahmen auch nicht durch die Vergütungsätze der Kliniken refinanziert werden können. Es kommt zu einem Investitionsstau.

Notwendige Renovierungen, die nicht finanzierbar sind, konterkarieren die Qualitätsstandards der Kliniken.

Was ist notwendig?

Die Mittel für Zuschüsse müssen auch 2024 in mindestens gleicher Höhe wie 2023 zur Verfügung stehen. Angemessen wäre außerdem eine Aufstockung auf € 10 Millionen wie sie das Müttergenesungswerk vor dem Hintergrund des Bedarfs an Bau- und Umbaumaßnahmen fordert (zum Beispiel zur energetischen Sanierung, zum Brandschutz, zur Gewährleistung von Barrierefreiheit).